Gandalf der Graue

Viele kennen meinen Namen, doch meine Herkunft ist den meisten bis heute unbekannt geblieben. Lange bevor das Erste Zeitalter begann, erschufen Manwe und Varda die Gestirne und sie erschufen mich als ihren Maiar. Die Maiar waren Geister, doch zur Selbstverkörperung fähig. Von jenem "engelsgleichen Orden" stammen die Istari (Quenya istar) die Zauberer und Magier, welche in dem Königreich Manwes genannt Arda lebten. Die herrschenden Mächte Ardas waren die Valar und Manwe selbst...einer der höchsten unter ihnen, nannte mich Olórin. Zu der Zeit, als sich Sauron, ursprünglich ein Maia Aules und Yavannas, dem aufrührerischen Valar Melkor (später Morgoth genannt ) anschloß, welcher auf Mittelerde sein Unwesen trieb, berief Manwe einen Rat der Valar. Auf diesem wurde beschlossen drei Boten nach Mittelerde zu senden. Wer würde gehen? Denn sie mußten mächtig sein, Sauron ebenbürtig, doch mußten sie auch der Macht entsagen, und sich selbst mit einem Leib bekleiden, so daß sie mit Elben und Menschen auf einer Stufe standen und ihr Vertrauen gewinnen konnten. Aber dies würde sie gefährden, ihre Weisheit und ihr Wissen verringern und sie durch Ängste, Sorgen und Schwächen verwirren, die aus der Leibhaftigkeit entsprangen. Doch nur zwei traten vor: Curumo, der von Aule ausgewählt war (später Saruman genannt) und Alatar, der von Orome geschickt wurde(einer der blauen Zauberer). Darauf fragte Manwe, wo ich denn sei. Ich, der ich in grau gekleidet von einer Reise kommend gerade eingetreten war, und im Hintergrund Platz genommen hatte, fragte, was Manwe von mir wolle. Manwe erwiderte, er wünsche, daß ich als dritter Bote nach Mittelerde gehe. Manwes Entscheidung war wohl deswegen gefallen, da er wußte, das ich die Eldar (Elben) liebte. Doch ich erklärte, ich sei für eine solche Aufgabe zu schwach. Doch Manwe befahl es mir und so kam ich nach Mittelerde. Die weitere Geschichte ist wohl bekannt, deswegen will ich sie nicht noch einmal erzählen. Eines aber, was in keinen Geschichtsbüchern bisher erwähnt wurde, will ich noch berichten., die Begegnung mit Shatala.
Einst, nachdem der Ring der Macht vernichtet war, weilte ich wieder einmal bei meinen Freunden den Waldelben. Es war das Land lindya, wo mich die Königin des Reiches Sayana nach langer Zeit herzlichst willkommen hieß. "Es freut mich, werter Gandalf, Euch nach all den vielen Jahren des vierten Zeitalters wiederzusehen. Seit der Vernichtung des Einen Rings sah ich Euch nicht mehr hier im Lande lindyas." Ich verneigte mich vor der Herrscherin des Elbenreiches: "Wahrlich vieles ist in den Jahren geschehen und die Entwicklung der Welt ließ mir wenig Zeit zur Erholung in Eurem Reiche." "So ruhet aus werter Gandalf in den Euch wohltuenden Gärten lindyas" sprach Sayana mit Ihrer zarten Stimme, deren ähnlichen Klang ich nur noch zweimal auf der Erde so vernehmen sollte. Sie lud mich ein, am Feste des Abends teilzunehmen und dankend nahm ich an. Wunderbar ist jenes lindya, welches in der Menschensprache auch Auwald genant wird. Viele seltene Pflanzen und Bäume uralter Herkunft verströmen den Duft von Ewigkeit. Nun, da ich in den Zeiten des Aufruhrs auch ein wenig gealtert war, verband mich eine gewisse Zuneigung zu allem unvergänglichen, was sich bis heute natürlich nicht geändert hat. So schlenderte ich, wie es meine Gewohnheit in diesem Reich immer war, zu den alten Bäumen, die sich rechts des Baches ahwa´iama befanden. Die äußere Hülle des Leibes verlassen zu können, war mir auf der Erde untersagt, doch in den Gefilden lindyas und vor allem hier bei den alten Bäumen durfte ich mir diese Ruhe angedeihen lassen. So lehnte ich an einem der Bäume und ließ das alte Wissen der Maiar durch meine Sinne fließen. Die Kraft der Magie, durch jede Wurzel der alten Eiche verstärkt, strömte in mein Inneres. Plötzlich, als hätte der Himmel eine Blüte geworfen, erschien eine junge Frau am Fluß, welche ein Lied durch die Lüfte wob . Ein blaues Käppchen auf dem Kopf, blonden Haaren und braungebranntem Gesicht schien die Frau nicht vom Elbengeschlecht zu sein. Doch hell war ihre Stimme und sie klang wie die Sayanas. Immer wieder bückte sie sich, als wenn sie etwas suchen würde. Manchmal aber nahm sie auch nur einen alten, fast verotteten Ast auf und blinzelte, ihn vor die Augen haltend, ins Sonnenlicht. Wer war dieses Wesen? Und was suchte sie... ich konnte es mir nicht erklären. So hüpfte sie lächelnd mit jenem Ast in ihren Händen weiter durch den Wald. Ich folgte ihr eine Weile und beobachtete sie. Die Neugierde packte mich und ich schlüpfte wieder in den Körper.

"Was sucht Ihr, werte Lady?" Erschrocken drehte sie sich zu mir um, lächelte dann aber. Mit einem schelmischen Blick sprach sie: "Ich suche Pilze, Wanderer, und Ihr?" "Oh...ich suchte nur Ruhe" stotterte ich. Leicht errötete sie: "Dann hab ich Euch wohl gestört, Mylord?" Schnell versicherte ich der jungen Frau, daß dies nicht der Fall sei. Ich sei eher angenehm überrascht, solch schöne Stimme vernommen zu haben.
"Was macht Ihr mit den Pilzen, Lady?" Die Lady lächelte: "Die, welche zum Essen geeignet sind, kommen in die Küche der Königin." Stolz zeigte sie mir ihren Korb in dem die verschiedensten Pilze lagen. Ungläubig deutete ich auf den Ast in ihrer Hand: "Ich wußte gar nicht, daß Königin Sayana auch Holz verspeißt." Laut lachte sie auf und schüttelte mit dem Kopf. Sie hielt mir den Ast vor die Nase und zeigte auf winzige Pünktchen, die auf dünnen Stielchen auf dem Holz zu sehen waren. Immer noch glucksend sagte sie: "Dies hier sind auch Pilze - und bei jenen erforsche ich nur ihre Artenvielfalt." Ich nickte ihr zu: "So arbeitet ihr im Dienste der Wissenschaft?" "Sozusagen..." sie lächelte "doch im Dienste der knurrenden Mägen von heute abend sollte ich Euch jetzt verlassen." Winkend hüpfte sie über den Bach und lief zum Schloß. Die Sonne versank bereits hinter den Bäumen und so machte auch ich mich auf den Weg.

Das Fest in einem der unzähligen Gärten rund um das Schloß statt. Die Herrscherin des Reiches saß an meiner Rechten als sich das Gartentor öffnete und mein Blick unvermeidlich in jene Richtung glitt. Da es bei einem Feste im Lande lindya nicht üblich war, daß die Gäste offiziell vorgestellt wurden, fragte ich flüsternd die Herrscherin Sayana: "Könnt Ihr mir sagen, wer jene junge Frau ist, die dort mit zwei anderen zum Tor hereinkommt?" Sayana, welche die Ankömmlinge sofort bemerkt hatte, sah mir auf einmal tief in die Augen. "Mich wundert nicht, daß Ihr Gandalf Eure Aufmerksamkeit auf jene lenktet. So wisset denn, daß Ihr dort meine Tochter Biundya, ihren Gemahl Valbarion und jenes Findelkind Shatala sehet, welches mit einer Schriftrolle in der Hand auf den Stufen dieses Schlosses vor langer Zeit gefunden wurde. Meine Tochter unterwies Shatala, die damals zehn Lenze zählte, in der Kunst und Magie und von Valbarion erlernte sie das Wissen um die Ursprünge des Lebens und der Natur. Ihr Gandalf seid berufen, sie zu den Ländern der Menschen zu führen und sie ihr weiteres Leben lang zu begleiten. So stand es in der Schriftrolle geschrieben." Mit einem wundersamen Lächeln stand Sayana auf und lief den dreien entgegen, die sich nun am Tische eingefunden hatten. Shatala lächelte mir begrüßend zu, als die Königin die Familie am Tische Platz nehmen ließ. Auch die Tochter der Königin Biundya blinzelte mir wissend zu. Ein Ausdruck wahrer Magie lag in ihren Augenpaaren. Valbarion, ein sehr ernst aussehender Mann mittleren Alters, kam zu mir und begrüßte mich mit forschendem Blick: "So ist die Zeit nun gekommen, die vorrausgesagt war, daß ich meine Tochter in Eure Obhut gebe, werter Gandalf." Mit diesen Worten reichte er mir eine Schriftrolle, in der alles über den Ursprung Shatalas und ihre wahre Herkunft beschrieben stand. Doch dies ist eine andere Geschichte, die Shatala selbst erzählen wird. Nach dem Festmahl, welches mir erst einmal die Zeit gab, über meine neue Situation nachzudenken, stand die Herrscherin auf und nahm mich und Shatala bei den Händen. Sie legte die Hand der jungen Frau in meine und ein Lichtstrahl der Magie ließ sie miteinander verschmelzen.

Lange Zeit verbrachte ich noch im Lande lindya und von Tag zu Tag wuchs mir Shatala mehr ans Herz. Ihr Lachen und ihre Lebensfreude war so ansteckend, daß ich mich immer jünger fühlte. Nun, da ich schon Jahre mit Shatala zusammen durch die Welt der Menschen ziehe, ist sie mir wie eine Tochter geworden, mehr als dies... ein wahrer Freund.


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Text: Gandalf / Bild: T.Nasmith