Das Drachenreich
 


 
 























Lange schliefen sie erschöpft und ohne Träume einen erholsamen Schlaf.
Puk, dessen Gemüt nicht so in den Tiefen des Grauens gewesen war, kümmerte sich indes an Deck
um die anfallenden Arbeiten und korrigierte ab und zu den Kurs.
In den Tagen, in denen die anderen schliefen, las er viel in dem letzten Buch der Prophezeiungen.
Ab und an hörte er jetzt aus der Kabine des Lords Sariell und seiner Lady leise Geräusche.
Sie liebten sich mehr als zuvor und immer wieder erzitterten Ladys Lippen, wenn die seinen sie berührten. Auch Sariells Sinne erbebten, wenn er die weiche Haut der Lady an sich fühlte.
So verbrachten sie zwei Tage halb im Trance der Erfüllung, halb schlafend im Bett.
Lord Arcos war der erste, dem es nach einem kräftigen Frühstück gelüstete.
Freudig, endlich wieder jemanden zum Reden zu haben, bewirtete Puk ihn reichlich.
Verschmitzt lächelten sie sich an, als auch die beiden Liebenden mit knurrendem Magen in der Küche erschienen. Ein paar Tage nur später sahen sie Inseln am Horizont, die Dracheninseln. Weitläufig waren sie über den Ozean verstreut. Um Wasser nachtzutanken ankerten sie an einer der Inseln und blieben über Nacht an Land. Es war die Insel der Drachen des Lichts.

Die Kunde ihres Eintreffens hatte sich wohl unter den Lichtdrachen verbreitet, denn überall sah man sie sich sammeln. Auch am nächsten Tage als sie weitersegelten sahen sie die Drachen des Meeres an ihrem Schiff vorbeischwimmen. Sanara die Königin der Drachen hatte zum Kampf gerufen.
Bald war auch der Drachenberg zu sehen, welcher nach der Prophezeiung von den Drachen der Finsternis beherrscht wurde, die es zu bekämpfen galt. Doch nur durch die Anwesenheit des Einen, der da kommen sollte, konnten die Drachen des Lichts den Kampf wagen.
Noch eine Nacht verbrachten die Gefährten auf einer der benachbarten Inseln von der aus sie das Drachenschloß deutlich erkennen konnten. Von dort aus zogen sie am nächsten Tag in dem größeren Beiboot los und unbemerkt gelangten sie zu dem Eingang einer Höhle, die, wie im Buch beschrieben ins Innere des Drachenlandes führen sollte.
Vorsichtig fast lautlos glitten sie durch die Gänge, bis sie das Ende der Höhle erreicht hatten.
Sie machten das Boot fest und gingen zu Fuß mit Xantia im Schlepptau weiter. So gelangten sie an die Burgmauern. Weiter draußen am Meer herrschte schon der Kampf zwischen den Drachen des Lichts und den Drachen der Finsternis. Durch diese Ablenkung konnten sie unbemerkt hinter die Burgmauern gelangen. Jetzt sahen sie das Drachenschloß vor sich liegen.
Doch nun waren sie entdeckt.



Vorbei an feuerspeienden Drachen schafften es Lord Sariell, die Lady und Puk bis zum Eingang.
Der Herrscher des Feuerreiches kämpfte unerbittlich gegen die Drachen. Das magische Auge, welches an der Tür angebracht war, ließ sich nur durch eine Beschwörungsformel aus dem Buch der Prophezeiungen öffnen. Dahinter erwartete sie ein Drache in Form einer Schlange, welche den Eingang bewachte. Ihre Augen glühten und die Schläge ihres Leibes erzeugten Blitze, die sie, Stromstößen gleich, auf die Eindringlinge niederfahren ließ. Doch Lord Sariell kämpfte weiter und drängte sie immer mehr zurück. Mit letzter Kraft hieb er ihr den Kopf ab.



In der Zwischenzeit flüchteten sich Puk und Lady Michelle in das Innere des Schlosses. Sie wußten, was sie zu suchen hatten, das Elixir des Lebens, welches einst die Herrscherin der Drachen im Tempel der großen Drachengöttin zur Heilung und Anbetung verwendete. Die Drachen der Finsternis hatten es nach dem Fall an sich gebracht. Viele Räume betraten sie, bevor sie das Zimmer fanden, in dem kleine geflügelte Drachen das Elixier bewachten. Doch die Pfeile der Lady trafen genau und Puk gelang es, das Elixier an sich zu nehmen. Sie schlossen die Tür und flüchteten zum Ausgang. Draußen wütete ein erbitterter Kampf.

Auch der Ruf des Wolfes war erschallt. Die Wölfe waren die einzigen Lebewesen, welche auf dieser Insel überlebt hatten, und auch sie erwarteten die Erfüllung der Prophezeiungen.
Entschlossen stürzten sie sich auf die noch übriggebliebenen Drachen und bezwangen sie.
Lord Sariell war inzwischen mit Xantia in den Kampf gezogen. Die Flügeldrachen, wie sie auch genannt wurden, bereiteten ihm erhebliche Schwierigkeiten, denn sie waren klein, aber sehr flink. Als er sie dennoch besiegt hatte traf er in einer Höhle auf die Drachenlady. Schon wollte er sein Schwert erheben, als sie ihm Einhalt gebot. "Lord Sariell, reitet zur Burg, ihr werdet dort gebraucht." sprach sie. "Indessen werde ich meinem stärksten Gegner gegenübertreten, dem Anführer der Drachen der Finsternis."




So ritt Lord Sariell der Burg entgegen und band Xantia an einen Pfosten. Dort traf er auch Lord Arcos und gemeinsam liefen sie zum Eingang. Von weitem schon sahen sie Lady Michelle in den Händen eines der dunklen Drachen.

Vor Schreck erstarrt halten sie inne. Wie konnte das geschehen? Lord Sariell spürt einen stechenden Schmerz in seiner Brust. Sein Herz droht zu zerbersten. Doch bei näherem Hinsehen gewahrt er, daß der Drache der Finsternis die Lady liebevoll in seiner Hand trägt. Der Drache blickt zu Lord Sariell und vorsichtig legt er die Lady auf den Boden. Alsbald entfernt er sich ein Stück, um dem Lord anzuzeigen, daß von ihm keine Gefahr droht. Lange schon hatte dieser Drache, welches ein Weibchen war, die Erfüllung der Prophezeiung erhofft. Ihr Name war Boa und sie war schon sehr alt, älter als die meisten unter ihnen. Boa kannte noch die Zeit vor der Trennung, wo die Drachenwelt friedlich vereint war. Doch hatte sie sich in ihrer Jugend hinreißen lassen von der Macht der Finsternis. Inzwischen älter und weiser geworden, war sie heimlich über die Lande geflogen. In den Eisberglanden lernte sie ihren Liebsten kennengelernt, den Eisdrachen.
Er unterwies sie in Demut und Herzenswärme und sie hörte ihm aufmerksam zu, wenn er über die Prophezeiungen sprach. So lautete ihre Aufgabe bis die Prophezeiungen erfüllt würden:
Sie solle im Lande der Drachen der Finsternis bleiben und ab und zu, wenn sie unbeobachtet wäre, dem Eisbergdrachen Bericht erstatten.
Lord Sariell beugte sich über seine Lady und schaute fragend zu dem Drachenweibchen.
Auch Lord Arcos und Puk, welcher bis jetzt noch an der Eingangstür stand, kamen herbeigelaufen. Boa sprach von Weitem: Küßt sie Mylord, denn die Liebe überwindet alles - sogar die Finsternis und den Tod." Voller Tränen in den Augen, zärtlich senkten sich seine Lippen auf die reglos daliegende, zarte Gestalt.




Die Herrscherin der Drachenwelt, Lady Sanara trat den Kampf gegen ihren stärksten Rivalen an. Lange schon hatte sie sich auf diesen Kampf vorbereitet. Geschwächt und voller Zorn kämpfte der Drache gegen ihre Magie, doch er wußte, daß er gegen das magische Auge Lady Sanaras keine Chance hatte. Sie bannte ihn, wie es prophezeit war, und stürzte ihn in den Abgrund seiner eigenen finsteren Gedanken.

Die Lady erwachte von einem unbeschreiblichen Gefühl der Liebe in ihrem Herzen und schlug die Augen auf. Sie sah ihren Liebsten und die Gefährten und...
sie erschrak - einen Drachen der Finsternis. Doch Lord Sariell nahm sie beruhigend in seine Arme. " Oh... Mylady, fürchtet euch nicht. Der Kampf ist vorbei. Tränen waren auch auf den Augen des Drachenweibchens zu sehen, denn auch Boa war sich nicht sicher gewesen, daß die Lady erwachen würde. "Eure Liebe gibt mir die Gewißheit, daß mein Liebster in der Nähe ist. Ich werde nach ihm schauen." So verabschiedete sich das Drachenweibchen und flog davon. Lord Sariell nahm seine Lady auf den Arm und trug sie zum Eingang des Tempels, den er zuvor entdeckt hatte.
Lord Arcos führte Xantia mit Puk auf dem Rücken hinterher.
Lady Sanara, deren Magie zum Bezwingen des Rivalen ihre letzte Kraft gekostet hatte, erhob sich aus einem Schlaf, in dem sie von Wahir dem Adler träumte. Vor langer Zeit waren sie glücklich miteinander auf den friedlichen Dracheninseln umhergewandert und hatten zusammen im Tempel die Zeremonien der Heilung und der Anbetung für die Göttin der Drachen durch die Magie vollführt, die ihnen die Göttin sandte. Nach dem sich einige Drachen mit dem Herrscher der Finsternis verbündet hatten, war ihr Glück vorbei. Wie er alles trennte, so trennte der Engel des Bösen auch sie.
Nur in ihren Träumen fanden sie sich zusammen, als das was sie waren, beide von menschlicher Gestalt. Nachdem Lady Sanara, welche auch Adlerschwinge genannt wurde sich erholt und dem Herren der Wölfe gedankt hatte, begab sie sich zum Meer in Richtung Tempel.

Lady Michelle erinnerte sich nur düster, was geschehen war. Sie war dem Herrscher der finsteren Drachen begegnet, als sie aus der Burg lief. Nur Puk konnte noch berichten, was geschah. Er stand noch am Eingang als er die Lady schon in den Fängen des Drachenherrschers sah. Kurz darauf sah er einen weiteren Drachen der Finsternis, der sich dem Herrscher entgegenstellte. Der Kampf tobte lange und geschwächt zog sich der Herrscher der Drachen immer weiter zurück. Dann, so erzählte Puk sah er den Drachen die Lady in der Hand haltend und sich umblickend.. Lord Sariell drückte seine Lady fest an sich und dankte innerlich dem Drachenweibchen, welches bereits auf der Suche nach ihrem Eisbergdrachen war.
Der Eingang zum Tempel, an dem sich die Gefährten niederließen lag in einer Höhle und bestand aus einer Statue welche gigantische Ausmaße besaß. Sie war aus dem Stein der Höhle herausgemeißelt worden. Sie mußte um die 60 Fuß hoch und in etwa 80 Fuß breit sein.
Lady Sanara hatte ihre Flügel abgelegt und öffnete den Gefährten von innen das Tempeltor.
Sie führte sie in einen großen Raum und ließ sie Platz nehmen. Die Zeremonie begann.
Die Priesterin Sanara rief den Adler Wahir und die Magie trug den Ruf zu ihm, so daß er sich in die Lüfte erhob zu seiner letzten Reise. Die Priesterin ging danach in den Vorgarten der Tempelräume und reinigte sich im heiligen Wasser. Währenddessen sah man Wahir durch die Lüfte kreisen, die Prozedur seiner Entzauberung erwartend. Gespannt beobachteten die Gefährten, wie sich Wahir auf dem Arm der Priesterin niederließ. Feierlich unter Rauchschwaden der Magie übergab Puk der Priesterin das Elixier, welches die Drachen der Finsternis einstmals aus dem Tempel gestohlen hatten. Damit ging die Priesterin, Wahir auf dem Arm, zum Raum der Heilung. Die anderen folgten gemächlichen Schrittes. Der Raum bestand aus einem sich in der Mitte erstreckenden Wasserbeckens, welches an einem Altar endete. Das Becken war von Säulen umgeben und im Wasser spiegelte sich das Abendlicht, das aus einer Öffnung darüber hereinschien. Die Priesterin sprach zu Wahir in einer unbekannten Sprache und träufelte ein paar Tropfen des Elixiers ins Wasserbecken. Nach ein paar Minuten in denen die Priesterin weitere magische Worte vernehmen ließ, stürzte sich der Adler ins Wasser. Nachdem er wieder auftauchte sahen die Gefährten nicht mehr Wahir, sondern einen Mann mit Adlerflügeln. Er erhob sich in die Lüfte und flog bis an die äußere Hülle des Universums um das Licht der Drachengöttin zu erflehen. Durch dieses Licht, welches einige Zeit später in einem weiteren Raum des Tempels niederging, wurde Wahir wieder vollständig Mensch. Jung, wie vor der Verzauberung, lag er vor Sanara der Priesterin und sie dankte der Göttin.

Nach der Zeremonie begab sich Lady Michelle auf Anweisung Lady Sanaras zu der Tempelkuppel, um von dort aus eine geflügelte Botschaft an das Elfenreich zu senden. Lady Sanara und Wahir gingen indes in die heiligen Gewässer des Tempelgartens. Die Flügel hatte Lady Sanara für immer abgelegt und nur eine Vision erinnerte sie noch einmal an diese Zeit als "Adlerschwinge".
In den nächsten beiden Tagen sah man die beiden sehr oft im Meer baden, voller Glück, daß jetzt auch der Tag sie nicht mehr trennen konnte. Die Gefährten rasteten in dieser Zeit vor des Drachenweibchens Höhle und ruhten sich ein wenig aus.
Lord Sariell brachte Boa das Schachspielen bei und öfter mußte er Boa zur Ruhe ermahnen,
denn sie war sehr ungeduldig. Es war kein Spiel für Drachen, denn Drachen lieben eigentlich nur Rätselraten.
Am dritten Tag brachen die Gefährten auf, denn die letzten Hürden waren noch nicht genommen, wie sie aus dem Buch der Prophezeiungen entnahmen. Sie verabschiedeten sich von Lady Sanara, der Priesterin des neu vereinten Drachenreiches und Wahir, dem Herrscher über diese Inseln.
So segelten sie weiter in Richtung Westen. Auch Boa machte sich auf ins Eisbergland zu ihrem Drachenmännchen, mit dem sie zusammen über die Eislande herrschen würde.


zurück zu den Kapiteln
braune Berge