Tristan deReas


Dunkle Schatten überziehen das Land und Misstrauen jedem Fremden gegenüber wuchert in den Herzen aller, welche noch etwas zu verlieren haben. So werde ich nun offen zu Euch sein und versuchen so weit als möglich auszuschweifen- obgleich der Morgen bereits heranjagt, auf das ihr erkennen mögt, das nicht ein Feind wünscht Euer Antlitz zu blicken. Lange Jahre vergingen seit ich Ayure die gläserne Stadt ganz im Süden der Welt, diesseits des Meeres, verließ um einer zu folgen, welche nun zu Euren Gefährten zu gehören scheint. Doch weder Liebe noch Treue waren es welche meine Schritte lenkten- vielmehr ließen ein Befehl und mein eigener Hass mich auf den Spuren von Lucy, Tochter des Arion, dem ersten Torhüter von Ayure und Verlobte meines Vaters, dem obersten Richter eben dieser Stadt, wandeln. Schicksalhaft für uns alle war die Stunde, in welcher ich heimkehrte und ihren Weg kreuzte. Als jüngster Sohn weilte ich schon viele Jahreszeiten in den Weiten des Landes, um meine Mannbarkeit im Wesen der Frauen, des Kampfes und der Macht zu finden, als Nachricht meines Vaters von dessen Bindung mich erreichte. Der Weg war lang und viele Versuchungen säumten ihn, so traf ich erst am Morgen des Hochzeitstages im Haus meines Vaters ein. Schon als ich die Stadtmauer entlangritt sah ich ihre Gestalt unter der gläsernen Kuppel des Turmes stehen. Eilends stob ich hinauf, um ihr als meiner Mutter die Ehren zu erweisen, welche ihr gebührten.

Um so tiefer rührte es mich, als ich dort, obgleich schon in das tiefe Rot der zweiten Braut gehüllt, ein barfüßiges Kind erblickte, welches an den eigenen Tränen zu ersticken drohte. Salzige Nässe überzog ihr Gesicht und fing Strähnen goldenen Haares auf ihren erhitzten Wangen. Bestürzt suchte ich den Grund solchen Kummers an jenem Tag der Freude zu erfahren und schluchzend brachte sie nicht mehr hervor als den Vorwurf das Glas banne allen Wind und mit ihm das Salz des Meeres, welches dieser in meiner Heimat stets in seinem Atem trägt. War es sie zu trösten, oder verführte mich ihre leidenschaftliche Sehnsucht? Ich strich ihr trauerdurchtränktes Haar zurück und unter hilflos geflüsterten Worten nahmen meine Lippen die glitzernden Perlen auf, welche ihre süße Haut benetzten. Mein Vater, welchem Kunde meiner Ankunft zugetragen ward, fand uns so, in flüchtige Umarmung verstrickt, auf der Zinne stehend. Es hätte gelinderen Ausgang nehmen können, doch Gared, Priester des Hofes und Mitglied des hohen Rates, welcher auch die Trauung hätte vollziehen sollen, stand an seiner Rechten. Noch bevor der Schreck sich von meiner Zunge löste, rief er sie eine Hexe und mich einen Diener dieses Teufelspaktes. Als ich Nächte allein in den Verließen meiner Verhandlung harrte, wünschte ich nicht mehr als einen Plan zu ersinnen, der jedwelche Schuld von mir nehmen und sie für die Schmach welche ich litt am Kreuze zahlen machte.

Doch griffen die Bande des Blutes und das Schicksal eilte voraus. Ihr Vater war es, welcher ihr die Flucht ermöglichte noch bevor der Morgen des Verfahrens graute. So geschah es, daß ich an ihrer statt angeklagt wurde. Jeder wusste die Wächter der Verließe waren Arion und seinem Fleische loyaler ergeben als selbst dem König, dennoch entlastete er sie und nahm alle Schuld auf sich- vergolten wurde es nur mit dem Tod der über ihn gesprochen wurde. Meiner eigenen Verhandlung sah ich ohne Schrecken entgegen, denn Richter deReas, mein eigener Vater brach den Stab des Gesetzes über mich. Das Urteil jedoch war das grausigste- es schonte mein Leben und brach es doch. Nachdem die Feuertaufe vollzogen ward, verstießen sie mich die Entflohene zu hetzen um meine Schuld zu sühnen. Verwundet und entstellt irrte ich umher bis ich den Mannen des Duhan in die Arme fiel. Weder die wochenlange Wanderung unter klarem Frühlingshimmel noch Duhans heilende Hände besänftigten den rasenden Wahnsinn meines Geistes. Als ich Lucy dort wiedersah, verschloss ich die Augen vor ihrem Wandel. Diese wenigen Monate hatten das Kind ausgemerzt und eine wilde Kriegerin geboren. Ich sah sie reiten, wie es sonst nur die Druiden vermögen welche die Tiere besprechen und verfolgte, wie jeder neue Tag den Stahl in ihrer Hand kälter und den Pfeil schneller werden ließ. Damals war es leicht in alldem das Wirken dunkler Kräfte bestätigt zu sehen und so meinen Hass zu nähren.

Erst in diesen Stunden begreife ich, daß die neu entstandene Kämpferin des Nachts nicht vom Feuer wich und allein durchs Dickicht streifte, um Dämonen zu besprechen- vielmehr glaube ich nun eine weinende Frau zu sehen, welche ihrer Heimat entrissen in der Freiheit nur Brutalität und nackten Kampf ums Überleben fand. Sie bestand und bald schon wagte keiner der Mörder und Verräter Duhans mehr Hand oder Stimme gegen sie zu erheben. Kaufleute und Adlige, deren Reise durch unsere dichten Wälder führte, peitschten ihre Pferde solange der Sonnenwagen den Himmel erhellte und verkrochen sich des Nachts, denn Gerüchte gab es viele und ihre Träume wurden von der Kindfrau beherrscht, wo sie mit ihrem unschuldigen Lächeln Schätze nahm und den Tod schenkte. Gefürchtet wurde sie mehr als Duhan, der Ketzer selbst. Obgleich sie mir Unterschlupf und Schutz gewährten wurde ich doch nie vollends in die Meute aufgenommen, so sah ich Lucy nur aus der Ferne, wie sie im zuckenden Schein der Flammen tanzte und hörte die wüsten Lieder, welche ihre Schönheit und Grausamkeit besangen, hinüberwehen. Sie selbst erkannte mich nie und richtete nichtmal zum Spott ein Wort an mich. Im Morgengrauen des ersten Herbsttages erwachte ich dann, weil der klare Tau selbst, von ihren Worten schwanger schien. Meine starren Glieder sammelnd schlich ich näher und sah sie erhöht auf einem Baum hocken wie sie zu Duhan und seinen versammelten Mannen sprach. Der Sommer hatte ihr das Haar gebleicht und so nahm es zu dieser frühen Stunde die Morgenröte auf und umgleißte sie wie flüssiges Feuer.

Mit ruhig fließendem Atem lockte sie zum Überfall auf die weiße Stadt und die Männer ließen sich durch das Blitzen ihrer Augen und die erregten Gesten verführen. Auch der Ketzer unterlag ihrer Suggestivkraft und mildes Lächeln umspielte seine Züge als er sich an ihre Seite stellte um den Schachzug anzuführen. Diese Macht welche sie erkämpft ließen Neid und Verachtung in meinem Herzen überlaufen. Noch während Duhan den Angriff plante jagte ich zur weißen Stadt um sie zu warnen und die Männer des Waldes mit Lucy und Duhan an ihrer Spitze in Folter, Gefangenschaft und Tod rennen zu lassen. Es kam wie es kommen mußte und aus meinem Versteck heraus beobachtete ich Duhans letzten Kampf. Weder Mitgefühl noch Zweifel wohnten in meinen Gedanken und so genoß ich die vermeintliche Rache in vollen Zügen. Nie werde ich den Augenblick vergessen in welchem dies freie und stolze Volk der Diebe in die Falle ging. Kein Laut neben dem Klirren des Stahls erschallte und obgleich die Niederlage gewiß war, versuchte keiner zu fliehen. Der unbändige Wille riß viele der Soldaten mit sich, doch es waren unzählige und aus den Ritzen und Fugen der Stadtmauer drang unermüdlich Nachschub. Stunden vergingen und beinahe glaubte ich das Blut, welches gierig von der Erde geschluckt wurde, sickere bis an die Spitzen meiner Stiefel und würde das Gewand der Welt auf ewig ändern. Doch schließlich sank auch der letzte der Angreifer von eigenem Schweiß und fremder Klinge liebkost nieder und trügerischer Frieden umhüllte wieder das Land. Von der Ruhe beseelt ritt ich zurück zum Lager und glaubte wie die Felder würde der Regen auch mich reinwaschen.

Die wenigen Zurückgebliebenen weinten und schrien vor Schmerz um die Gefallenen, doch mehr noch feierten sie meine Heimkehr und nahmen mich als Helden dieser Schlacht in ihre Mitte. Da erst wurde ich gewahr das auch auf mich kein anderes Heim wartete und so durchstreifte ich mit den anderen Verlassenen das Land..... wir verkamen zu Taschenspielern und Viehdieben. Ich jedoch war glücklich und verbot mir jeden Gedanken an das Geschehene. Dann drang Nachricht das Lucy lebte und aus den Minen geflohen sei zu uns und Schuld und Scham brachen über mich herein. Wie ein sterbendes Tier schlich ich umher und ich fand keinen Schlaf mehr, welcher von Albmähren unberührt blieb. Wie Maden nährten die Träume und Visionen sich von meinem bis zum Zerreißen gespannten Körper und so zog ich aus sie zu finden. Unermüdlich jagte ich Durins Legenden nach bis ich den Ort fand, welcher wohl einst so genannt wurde. Doch mir graust davon zu berichten........ ich kam zu spät. Das Land welches einst Durin hieß verlor seinen Namen! Es konnte sich wohl nicht länger gegen die angrenzenden Mächte erwehren, welche es nun nur noch verächtlich das Grenzland hießen. Die Wälder sind gerodet- Tränen des Himmels spülten die ungeschützte Erde fort und ließen nur kahlen Fels zurück. Kein Leben blieb an diesem Ort und nichts aus dem Neues zu entstehen vermag. Sicher hätte ich ihren Untergang geglaubt und mich dem Schmerz ihr das Geschehene nie erklären - nie bereuen zu können- ergeben, doch letzte Nacht machte ich eine wundersame Begegnung.

Ich saß im Schatten einer Hauswand uns sah zwei Männer aus der Taverne kommen. Gelangweilt beobachtete ich ihr Treiben um mir wenigstens eine meiner ohnehin schlaflosen Nächte vertreiben zu können. Sie schienen mir Söldner zu sein, der Wein hatte ihre Aufmerksamkeit getrübt, so daß sie meine Anwesenheit nicht blickten und lauthals stritten. Der Kleinere wirkte aufgebracht und bestürmte den hoffnungslos Schwankenden mit Fragen und Vorwürfen nach dem Verbleib ihres seltsamen Fanges. Schnell wurde mir klar, daß es sich nur um eine Gefangene handeln kann und gebannt lauschte ich dem Bericht, wie sie ihre Wachen lautlos erdrosselte und es beinahe vermocht hätte zu fliehen. Vereint hetzte man ihr nach und viele erlagen ihrem Pfeil. Nachdem sie erneut überwältigt wurde zerrten der Lange und ein anderer sie in die nahen Wälder, um sie zu strafen, kehrten jedoch, nachdem lange Stunden verstrichen waren, nur mit ihren Kleidern und den Waffen, welche sie gestohlen hatte, wieder. Völlig außer sich tobte der Fragende umher und spie hervor wievielmehr als ein Augenblicke mordlustiger Geilheit sie für das unbezähmbare Wesen, Lucy aus der weißen Stadt hätten bekommen können. Grinsend hielt der Große ein Amulett empor, da sprengte ich mit meinem Schwert zwischen sie. Voller Grauen wollte ich mehr erfahren, doch wollten sie mich glauben machen sie trügen keinen Anteil daran und die Gefangene sei geflohen. Während ich dem Langen meinen Zorn spüren ließ, floh der Andere und sinnend stand ich noch lange da, erhob den in Silber gefassten Onyx aus dem Sand und erinnerte mich wo ich ihn einst sah. Gandalf, der Graue trug dies Amulett einst und ihn zu finden war nicht schwer... so bitte ich nun um Einlaß in euer Reich mit der Hoffnung sie habe wirklich fliehen können und sei zu Euch zurückgekehrt. Sollte es sein, wie es scheint, wird es das Kleinste sein, was ich tun kann, das mächtige Amulett in die Hände seines Besitzers zurückzubringen. In tiefem Schmerz ergeben
Tristan deReas