Naatz und Boo

Die Welt, von der ich komme, nennen die Bewohner Toril, oder in voller Länge ausgesprochen, Abeir-Toril, was soviel bedeutet wie "Wiege des Lebens". Toril ist der dritte Planet von acht Planeten, die eine Sonne umkreisen. Obwohl Toril nur ein Tropfen im Universum ist, ist er für die Elfen, Gnome, Menschen, Zwerge und Halblinge, die dort leben, ebenso wichtig wie für euch, werter Abenteurer, eure Welt, auf der ihr lebt, den Toril ist ihre Heimat. Auf Toril selbst gibt es drei große Kontinente. Der Kontinent im Westen wird Faerun genannt, der im Osten Kara-Tur und den südlichen nennt man Zakhara. Der Norden besitzt, soweit bekannt, keine nennenswerte Landmasse. Das Meer, dass sich dort befindet, nennt man das Schwertmeer. Von Kara-Tur und Zakhara weiß man eigentlich nicht viel mehr, als das es sie gibt. So könnt ihr wohl erahnen, das ich aus Faerun stamme. Faerun ist aufgeteilt zwischen verschiedenen Reichen. Zu erwähnen wäre dabei die größeren Reiche, wie Cormir und Calisham im Osten, Zentarim im Westen, Amn und Tiefwasser im Süden und, meine Heimat, Rashemen im Norden. Dazwischen gibt es noch Hunderte kleinere Reiche oder sogar nur unabhängige Städte, dessen Aufzählung hier nicht lohnt.

Meine Heimat Rashemen liegt, wie schon gesagt, im Norden Faeruns. Es ist dort fast das ganze Jahr Winter, und es passiert nur selten, das der Schnee, der ganz Rashemen bedeckt, mal zu schmelzen beginnt. Trotz der ewigen Kälte beklagen sich die Menschen nicht, im Gegenteil, es geht ihnen sogar gut. Nahrung gibt es genug, Fischer und Jäger sind angesehene Berufe bei uns. Steuern werden nur in Notzeiten erhoben, und auch dann sind sie nicht hoch, denn Notzeiten sind selten geworden und dauern meist nicht lange an. Die Herrscher Rashemens sind rechtschaffend und gut, genauso wie der Rest der Bevölkerung. Natürlich gibt es auch in Rashemen Halunken und Diebe, genauso wie es in Zentarim bestimmt Menschen gibt, die Gutes tun, doch ist ihre Zahl, in beiden Reichen, wohl sehr gering. Man kann wohl sagen, das Rashemen ein glückliches Land ist.
In diesem Land wurde ich geboren, im Jahre 1584 TZ. (Die Zeitrechnung erfolgt bei uns vom Jahre 0 TZ ausgehend. TZ ist eine Abkürzung für Taliser Zeitrechnung und bezeichnet jenes Jahr, in dem die Elfen den Menschen zum ersten Mal erlaubt haben, sich in den offeneren Gegenden des Waldes anzusiedeln.) Man sagt, ich sei ein Nachfahr des großen Minsk, der im Jahre 1369 TZ große Heldentaten vollbrachte. Ob das stimmt weiß ich nicht, doch ist diese Behauptung sehr nützlich, wenn man ein Krug Bier für ein paar Münzen weniger haben möchte.

Von meinen Eltern weiß ich nur wenig, sie starben früh, als sie versuchten, zu den Drow zu reisen um sie und ihre Kultur besser zu verstehen. Doch als sie in einen vermeidlichen Eingang in das Unterreich eintraten, weckten sie eine Anhek, die dort ihr Nest hatte. Man sagt, sie hätten nur wenig gelitten.
So wurde ich noch im Säuglingsalter zu einem alten Waldläufer gebracht, dessen Name Valygar Corthala lautete. Bei ihm Verbrachte ich meine ersten Jahre bis zu meinem Daschemma (dazu nachher mehr). Er lehrte mich mit dem Schwert und dem Kampfstab umzugehen, die Sprache der Natur zu verstehen und selbst aus dem müdesten Möhrenmatsch noch eine anständige Mahlzeit zu zaubern. Er war kein unfreundlicher Geselle, doch war er manchmal etwas eigen und verschlossen. Vielleicht lag das auch an seinem Alter. Jedes mal wenn ich ihn darauf ansprach und fragte, wie alt er wohl sei, lächelte er nur wissend und ging weg.

Die Jahre vergingen und ich führte ein für meine Verhältnisse normales Leben. Eines Tages, ich weiß nicht mehr wann, draußen war es schon dunkel, kam der alte Valygar zu mir und sagte, das mein Daschemma begonnen hat. Ich sollte mein Bündel schnüren und mich reisefertig machen, denn schon am nächsten Tag sollte ich aufbrechen. Ich konnte in dieser Nacht kaum schlafen, da mich etwas neues, unbekanntes erwartete. Uns so brachen wir am nächsten Tag auf, einer mir damals unbekannten Zukunft entgegen.

Der alte Valygar hatte bisher nie das Daschemma erwähnt, geschweige denn erzählt, was das sei, so das ich ihn auf der Wanderung danach fragte. Er sagte mir, das Daschemma sei eine rituelle Reise in die Männlichkeit, die von jedem jungen Mann aus Rashemen, der die Kunst des Kampfes und des Krieges erlernt hat, bewältigt werden muss. Auf dieser rituellen Reise ist man auf Abenteuer und Kampfesruhm aus. Des weiteren bekommt man einen Begleiter auf seinem Daschemma, dem man bedingungslos folgen und beschützen muss. Wenn man sich auf dieser Reise bewährt, wird man in die Loge der Eisdrachen aufgenommen. Die Eisdrachen sind die tapfersten Krieger und edelsten Recken Rashemens. Tut man sich auf dieser Reise besonderst hervor, wird man sogar in die Ehrenloge der Eisdrachen aufgenommen. Dies ist eine besondere Ehre, denn nur wer in der Ehrenloge ist kann später auch Graf, Herzog oder sogar König von Ländereien in Rashemen werden. Versagt man aber auf dieser Reise... nun, dann endet man als Stallbursche oder Knappe, mit viel Glück auch noch als einfacher Soldat. Das Urteil ob man sich bewährt hat oder nicht, darf übrigens nur der Begleiter fällen, der sein Urteil nicht von persönlichen Gefühlen abhängig machen darf.

Der alte Valygar führte mich zu der Burg des örtlichen Herzogs. Vor den Toren der Burg blieb Valygar stehen und drehte sich zu mir. Er sagte mir, das sich unsere Wege hier und heute trennen, und das wir uns nie wieder sehen würden. Da wurde mir auf einmal bewusst, das er diese Worte ernst meinte, den in diesem ernsten Tonfall sprach er selten. Er gab mir noch ein paar Ratschläge und die Erbkette seiner Familie, denn er hatte keine Kinder und sah in mir seinen Sohn, den er nie hatte. Dann drehte er sich mit glasigen Augen um und ging den Weg zurück zu seiner Hütte im eisigen Wald. Ich hatte nie zuvor wegen eines Menschen geweint, doch jetzt tat ich es, denn mir wurde klar, wie viel mir dieser alte Mann doch bedeutete. Und ich weinte lange.

Es verging einige Zeit bis ich mich aufraffte und in die Burg ging, noch mit verquollenen Augen. Dort wurde ich schon erwartet, zwar nicht vom Herzog, doch aber von seinem Adjutanten und dessen beiden ranghöchsten Unterstellten. Viel wurde mir erzählt, über das Daschemma, Rashemen, Faerun und Toril, über Gut und Böse und über Rechtschaffendheit und Mut. Am Ende wurde ich gefragt, als was ich in die Loge der Eisdrachen aufgenommen werde wolle, sollte ich das Daschemma erfolgreich beenden. Zuerst wollte ich als das Gleiche aufgenommen werden wie mein -vielleicht- Vorfahr Minsk, nämlich als Eisdrachen-Berserker, doch dann erinnerte ich mich an das, was mir der alte Valygar beigebracht hatte und sagte, dass ich, sollte ich es schaffen, als Rashemen-Waldläufer aufgenommen werde wolle. Und so notierten sie es.

Nach dem Gespräch führten der Adjutant des Herzogs und seine Lakaien mich in einen anderen Raum, wo ich meinen Begleiter kennen lernen sollte. Mein Begleiter war eine Begleiterin und hieß Dynaheir mit Namen. Sie war eine Wychalarn, eine Hexe, oder, werter Abenteurer, wie ihr in eurer Welt sagen würdet, eine Magierin, eine Zauberin. Sie war sehr hübsch anzusehen. Keiner hätte sie älter als 25 Jahre geschätzt. Erst später erfuhr ich, dass sie, wie es für Hexen nun mal typisch ist, viel älter als ihr äußeres Erscheinungsbild war. Trotzdem war sie mit ihren 354 Jahren noch relativ jung, für eine Hexe, wohlgemerkt. Ich mochte sie. Sie war immer nett und freundlich zu mir und behandelte mich gut. Während der gesamten Reise war sie für mich immer mehr eine Freundin als Begleiterin und, in Hinsicht auf das Daschemma, auch Beurteilerin. Ich mochte auch ihr Lachen, es war immer so... ansteckend. Dynaheir lachte immer gern und viel. Sie war ein fröhlicher Mensch und eigentlich gab es niemanden, der sie nicht mochte. Ich hatte großes Glück das ich sie als meine Begleiterin bekam.

Schon drei Stunden nachdem ich Dynaheir kennengelernt hatte, brachen wir auf. Ich wollte natürlich wissen, wohin, doch als ich sie darauf ansprach, sagte sie nur einsilbig, daß wir nach Süden gehen würden und daß ich ja so oder so mitbekomme, wohin wir gehen. Zu meiner Freude begleiteten uns auf den ersten Kilometern sogar ein paar Eisdrachen auf ihren Rössern. Dynaheir und ich hatten keine Pferde, denn Pferde waren selten in Rashemen und durften zudem nur von Eisdrachen geritten werden. Solange uns die Eisdrachen begleiteten, staunte ich nur über sie. Sie waren so... stolz, so tugendhaft. War auch nur einer von ihnen in der Nähe brauchte man keine Angst mehr haben, vor gar nichts mehr. Von da an wurde mir endgültig klar, das ich in die Loge der Eisdrachen aufgenommen werden wollte. Ich wollte ein Eisdrache werden, unbedingt. Doch dafür musste ich ja erst Abenteuer bestehen und Ruhm erlangen. Und genau das nahm ich mir damals vor. Jawohl, überall im Lande sollte den Barden und Skalden das Papier ausgehen, wenn sie versuchten meine Abenteuer aufzuschreiben. Das war mein Vorsatz.

Doch zunächst sah es ganz anders aus. Wir waren erst eine Woche unterwegs als wir in einen Hinterhalt gerieten. Wir gingen, wie die gesamte letzte Woche auch, einfach unseren Weg, als plötzlich aus den Gebüsch links und rechts Gnolle und Orks hervorsprangen und uns mit Kampfschreien attackierten. Hastig zog ich mein Schwert und eilte zu meiner Hexe. Die Eisdrachen links und rechts wüteten unter den Angreifern und stellten ihnen nach als sie zu fliehen versuchten. Kurz bevor ich meine Hexe erreichte, sprangen dutzende neuer Orks aus dem Gebüsch. Ich spürte nur noch den heftigen Einschlag eines Orkschildes auf meinem Kopf bevor alles um mich herum schwarz wurde.

Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen war bis ich wieder aufwachte, es konnte allerdings nicht all zu viel davon verstrichen sein, denn ich hörte immer noch den Kampfeslärm, bevor ich überhaupt meine Augen öffnete. Mein Kopf tat höllisch weh. Nur langsam öffnete ich meine Augen und sah... das schönste, intelligenteste und wunderbarste Geschöpf Abeir-Torils. Ich war noch halb benommen als dieses Wesen mich mit piepsiger Stimme fragte, wie ich den hieße. Ich sagte, ich heiße Naatz und fragte nun meinerseits wie er denn heißt. Er schaute mich mit schiefen Kopf an, wartete ein, zwei Sekunden und sagte dann, sein Name sei Boo. Gleich im Anschluss schnüffelte er an mir und fragte, WAS ich den sei, und etwas verwundert sagte ich, das ich ein Mensch bin. Natürlich fragte auch ich ihn was er den für ein Geschöpf sei, worauf er voller Stolz verkündete, das er ein Riesenweltraumminiaturhamster sei. Das konnte ich zunächst nicht glauben und fragte ihn, ob er sich ein Spaß mit mir erlaube. Er sagte nur nein, womit er also die Wahrheit gesprochen hatte, denn jeder Mensch weiß, das Riesenweltraumminiaturhamster nie lügen. Wir redeten noch eine ganze Weile miteinander, er war wirklich ein kluges Tier. Am Schluss fragte er mich dann noch, ob ich ihn auf meiner Reise mitnehmen will, und ich hatte keine Einwände, daß mich ein solch edles und ehrliches Tier auf meiner Reise begleitet.

Schließlich stand ich schwankend auf... und fiel gleich darauf wieder auf meinen Hosenboden. Hinter mir kam Dynaheir angerannt und rief die ganze Zeit meinen Namen. Schließlich war sie bei mir und untersuchte sogleich meinen Kopf. Ich fragte was geschehen sei und sie sagte mir, was sich zugetragen hatte. Die Orks, die aus dem Gebüsch kamen, schafften es durch ihren überraschenden Angriff, die Eisdrachen Zeitweise zurückzudrängen. Dynaheir meinte, das ich noch lebe ist nur der Tatsache zuzuschreiben, dass ich regungslos im Schnee lag und mich nicht rührte, so das die Orks denken mussten, ich sei tot. Aber ich, und vielleicht auch ihr, werter Abenteurer, kennen natürlich die Wahrheit, warum ich noch am Leben bin. Natürlich hat der kleine tapfere Boo mich beschützt. Ganz bestimmt. Dynaheir verband meinen Kopf und nachdem sie fertig war, sah sie mich lange mit ernster Miene an und meinte, das es ein wirklich harter Schlag war und ich vielleicht irgendwelche geistigen Schäden davontragen könnte, doch wie es scheint, ist in meinem Kopf nichts kaputt gegangen. Selbst Boo meint das ich immer noch der gleiche wie früher bin. Wie sich später herausstellte, waren diese Gnolle und Orks Deserteure der Synatllisches Armee, einem kleinen Reich, das zur der Zeit Krieg führte gegen ein anderes kleines Reich nahe der Grenze Rashemens.

Zwei Tage nach der Schlacht trennten sich die Eisdrachen von Dynaheir, Boo und mir, denn ihr Weg führte ab nun in eine andere Richtung. Ich war etwas enttäuscht daß diese tapferen Krieger nicht länger in unserer Nähe bleiben würden, doch mit Boo hatte ich einen ebenso tapferen Ersatz gefunden. Dynaheir mochte Boo, und Boo mochte Dynaheir, obwohl Dynaheir mich zuerst ziemlich komisch angeschaut hatte als ich ihr meinen neuen Gefährten zeigte. Und warum sie danach noch mal meine Kopfverletzung angeschaut hat weiß ich auch nicht, aber danach kam sie wirklich gut aus mit Boo. Oft spielte und lachte sie mit ihm, und manchmal durfte sie ihn auch ein paar Wegstunden lang tragen. Wir wanderten schon seit vielen Wochen, als wir die Grenzen Rashemens erreichten. Wehmütig überschritt ich die Grenze und dachte an das Land, das ich wohl für lange Zeit nicht mehr sehen würde. Ich erinnerte mich an den Schnee, durch den ich und Boo immer getollt waren (auch wenn Boo danach immer etwas komisch aussah), an das Eis, das immer so schön funkelte im Sonnenlicht und auch an die Menschen, die dort lebten, vor allem an den alten Valygar dachte ich in jenen Tagen oft.

Zu dieser Zeit ließ Dynaheir durchblicken, dass sie nach Amn wollte, das südlichste Reich Faeruns, und zwar an die Schwertküste, da sie dort wichtige Geschäfte zu tätigen hätte. Welche "wichtige" Geschäfte eine Hexe tätigen konnte, wollte mir nicht in den Sinn gehen, und auch Dynaheir schwieg als ich sie ansprach. So liefen wir weiter, immer Richtung Süden. Wir wanderten viele, viele Monate. Auf unserer Reise begegneten wir nur ziemlich wenigen Feinden. Und selbst dann, waren es nur schwache Wesen wie z.B. Goblins, Kobolde, Kreischlinge oder Xvarte. Es passierte wirklich sehr, sehr selten daß wir gefährlicheren Wesen begegneten. Eigentlich passierte das nur zweimal. Einmal war es Oger mit zwei seiner kleineren Verwandten, den Ogrollion, und ein anderes mal war es ein hungriges Rudel Bären. Doch beide male bereinigte Dynaheir die Situation mit Hilfe ihrer Magie. So kam es, das wir ohne größere Zwischenfälle (aber mit vielen und vor allem langen Umwegen) das vorläufige Ziel unserer Reise erreichten.

Es waren nun schon 1 1/2 Jahre seit meinem Aufbruch aus Valygars Hütte vergangen, als wir das kleine Städtchen Beregost erreichten. Des nachts sah man in der Ferne die Lichter von Baldurs Tor, der zweitgrößten Stadt Amns, doch Dynaheir sagte, daß sie nicht dorthin wollte. Wir blieben mehrere Tage in Beregost und ich begleitete Dynaheir auf Schritt und Tritt. Schließlich musste ich sie ja beschützen, wie es meine Pflicht verlangte. Dann, wir wollten eigentlich gerade nach Nashkell aufbrechen, als ein Ausrufer die schreckliche Nachricht verkündete. Es hieß, Rashemen-Krieger fielen in die benachbarten Länder ein und zerstörten alles und jeden, dem sie habhaft werden konnten, ohne Rücksicht auf die eigenen Verluste. Verstört sahen Dynaheir und ich uns an, während die Leute um uns herum uns schräge Blicke zuwarfen, denn schließlich wusste jeder in dem Städtchen woher wir kamen. Einige beleidigten uns sogar offen, doch hörten sie damit schnell auf, wenn Boo sie böse anschaute. Trotzdem konnten wir dieser Behauptung nicht glauben. Wir verließen umgehend die Stadt.

Anstatt weiter nach Nashkell zu reisen, führte Dynaheir uns nun zur Hohen Hecke, einer Burg, die einem etwas verrückten Barden gehörte, der dort allerlei magischen Kleinkram feil bot. Dynaheir sagte mir, sie seien gute Freunde und er besäße etwas, das uns eine Antwort auf unsere Fragen geben könne. Wir liefen ungefähr zwei Tage bis wir die Hohe Hecke erreichten, mitten in der Wildnis. Die Wiedersehensfreude zwischen Dynaheir und ihrem Halbelfischen Freund, Haer'Dalis, währte nur kurz, denn sogleich erzählte Dynaheir von der schlimmen Nachricht. Ohne lange zu zögern, führte uns Haer'Dalis zu einem Seherstein. Mit Hilfe dieses Steines ist es möglich, über große Entfernungen hinweg andere Gegenden auszukundschaften und zu sehen, was dort gerade vor sich geht. Allerdings ist die Benutzung sehr anstrengend und nicht ganz ungefährlich, da einem immerhin die Seele entrissen und an die gewünschte Stelle teleportiert wird. Doch Dynaheir wagte es. Unter Anwendung ihrer mächtigsten Magie sah sie durch den Stein, was sich im fernen Rashemen abspielte. Sie stand schon seit ungefähr einer viertel Stunde an dem Seherstein als sie urplötzlich und ohne jede Vorwarnung erschöpft zusammenbrach. Haer'Dalis brachte sie in sein Zimmer, wo sie mehrere Tage ununterbrochen schlief. Und auch als sie nach sechs Tagen aufwachte, fühlte sie sich nicht munter und erfrischt, sondern noch immer müde und zerschlagen. Erst am achten Tag war sie fähig, uns zu berichten, was sie gesehen hatte. Und was sie gesehen hatte, gefiel mir gar nicht.

Die Krieger, die die benachbarten Reiche Rashemens überfielen, waren keine Rashemen-Krieger, geschweige den Eisdrachen. Sie waren nicht einmal Menschen aus Rashemen. Oder überhaupt Menschen. Mitten im Herzen Rashemens hatte sich eine Art... Portal geöffnet, ein magischer Durchgang, ein Dimensionsreißer oder wie immer ihr es auch nennen wollt. Durch diesen Durchgang kamen Krieger geströmt, zumindest sahen sie aus wie Krieger, die meisten jedenfalls. Einige hatten das Aussehen eines normalen Kämpfers, andere sahen aus wie Zwergen-Barbaren, wieder andere sahen aus wie grässliche Monster und ganz wenige hatten sogar so ein komisches Aussehen, das man davon Kopfschmerzen bekam, wenn man sie auch nur länger als eine Sekunde ansah. Doch hatten sie alle zwei Gemeinsamkeiten. Zum einen waren sie allesamt grau in der Farbe. Ihre Haut war grau, ihre Rüstungen waren grau und ihre Waffen waren grau. Sie sahen aus, als wie wenn sie alle aus Stein gemeißelt worden wären. Zum anderen hatte jeder die gleiche ruckhafte Fortbewegungsart. Sie wirkten als würden sie von jemand anderen... gelenkt, gesteuert, kontrolliert, wie ein Golem, der noch nicht fertig konstruiert ist. Mehr wusste Dynaheir nicht zu berichten. Wir wollten so früh wie möglich aufbrechen um wieder nach Rashemen zu gelangen, denn dort herrschte nun seit vielen, vielen Jahren wieder der Krieg.

Wir warteten noch einen Tag bis sich Dynaheir wieder kräftig genug fühlte, um zu laufen. Danach verabschiedeten wir uns von Haer'Dalis und brachen schließlich auf, Richtung Rashemen. Wir waren schon fünf Monate unterwegs als wir Ulgoths Beard erreichten, eine Hafenstadt nahe der Grenze Amns. Hier wollten wir ein letztes mal ruhen, bevor wir Amn verließen. Doch wie sich herausstellte, sollten wir es nie wieder verlassen, doch dazu später mehr. Im örtlichen Gasthaus erfuhren wir, daß auch andere Magier ihre Sehersteine bereits benutzt hatten, um zu erfahren, was an den Gerüchten eines Rashemen-Angriffes dran sei. Unter diesen Zauberkundigen waren auch Magier von großen Kriegsfürsten und Königen, und da Rashemen im Bündnis mit einigen Länder steht, wie auch zum Beispiel Amn und Calisham, wurden bereits schon vor vier Monaten große Heere ausgesandt, um Rashemen zur Hilfe zu eilen. Doch bis jetzt hatte man noch keine Nachricht dieser Heere erhalten.

Es war Nacht in Ulgoths Beard, und die meisten schliefen schon, als lautes Glockengebimmel und schrille Rufe die gesamte Stadt weckte. Hastig zog ich mich an und lief zusammen mit Dynaheir zu dem Geschrei. Das Geschrei kam von dem Marktplatz, auf dem ein kleiner Kerl immer noch wie wild an der Alarmglocke läutete. Erst als ihn ein paar Leute, sichtlich bemüht ihn zu beruhigten, hörte er auf mit Läuten. Der Grund warum der kleine Gnom so aufgeregt war, versetzte die meisten Leute in schiere Panik. Der kleine Gnomenfischer schwor Stein und Bein, das er beim Nachtfischen keinen Tagesmarsch entfernt von Ulgoths Beard ein riesiges graues Heer gesehen hätte. Der Feind war also schon da. Rashemen musste wohl gefallen sein.

Abgesehen von ein paar Stadtgardisten besaß Ulgoths Beard keinerlei Verteidigungsmöglichkeiten, so dass ich vorschlug, Ulgoths Beard sofort zu verlassen. Doch Dynaheir war dagegen, denn sie war beeindruckt von dem Mut der Bewohner Amns. Denn obwohl es eigentlich klar war, das Ulgoths Beard keinem Angriff standhalten konnte, verließen nur sehr wenige Menschen die Hafenstadt. Nun, man kann streiten, ob es Mut, Dummheit oder Verzweiflung war, was die Leute dazu anhielt in der Stadt zu bleiben, doch wie dem auch sei, Dynaheir ging zum Bürgermeister der Stadt und bot ihm ihre, und somit auch meine, Hilfe an. Ich fragte sie, warum sie das tue, die Stadt war doch nicht zu retten. Da sah sie mich an und sagte, das wir es wenigstens versuchen sollten diese Stadt zu retten, schon allein der Kinder wegen, die ebenso wie ihre Eltern, die Stadt nicht verlassen wollten und weil jede rechtschaffende Person so handeln sollte. Bis heute verstehe ich nicht, was sie damit meinte. Überschwänglich nahm der Bürgermeister dieses Angebot an, ja Dynaheir bekam sogar das Kommando über die Stadtgarde. Sogleich tat sie ihr Bestes, um in der kurzen Zeit, die der Stadt noch blieb, ihre Chancen zu erhöhen, im Kampf zu bestehen. Nicht das die Stadt überhaupt Chancen gehabt hätte...

In der Stadt herrschte große Hektik. Die Gardisten gaben Freiwilligen einen Crash-Kurs in der Kunst des Kampfes, Bürger huben Gräben aus, andere hielten Wache, und wieder andere versuchten unter Dynaheirs Aufsicht die Stadt in ein Bollwerk zu verwandeln. Wie gesagt, sie versuchten es. Aber sie schafften es nicht. Der Feind kam einen halben Tag zu früh. Es war später Vormittag als das feindliche Heer gesichtet wurde. Man hörte von ihnen keinen Schlachtensang, keine Kriegsschreie, ja nicht einmal ein Wort hörte man von ihnen. Man hörte nur die schweren, abgehackten Schritte der Hunderten und Abehrhunderten Krieger. Die provisorische Armee der Stadt nahm auf Befehl Dynaheirs eine Schlachtaufstellung ein, doch konnte man schon hier sehen, das es eigentlich sinnlos war zu kämpfen. Zählte die Stadtarmee gerade mal zweihundert Mann, so waren die Grauen allein so viele, das man sie ohne Hilfe der Magie nicht zählen konnte. Hätte man diese Menschen doch lieber in Sicherheit gebracht...

Die Armee der Grauen nahm keine Schlachtordnung an. Sie liefen einfach weiter. Und weiter. Und weiter. Und weiter. Und erreichten schließlich die Stadt. Doch bevor sie in die Stadt kamen fielen die ersten in die gerade noch fertig gestellten Gruben, die mit spitzen Speeren gespickt waren. Und dann fielen die nächsten rein. Und dann wieder die nächsten. Die Kämpfer schienen sich nicht darum zu kümmern was mit ihren Kameraden passierte. Todesverachtend lief einer nach dem anderen in die Grube, den Blick immer starr gerade aus, bis diese randvoll war mit den Leichen der Grauen. Über diese bizarre Brücke konnten dann die nachvollgenden Kämpfer steigen, so das diese dann die Stadt ereichten. Der Kampf begann.
Es war eine erbitterte Schlacht. Die Grauen waren in der Zahl weit überlegen, doch in den engen Häuserschluchten konnten sie diesen Vorteil nicht richtig ausspielen. Die Stadtbewohner kämpften tapfer und mit dem Mut der Verzweiflung, doch für jeden Grauen, den sie erschlugen (was leider nicht allzu oft vorkam), kamen zwei der ihren. Ihre Zahl schien wirklich unendlich. Oh, ihr hättet die Grauen kämpfen sehen müssen. Selbst jetzt kam kein einziger Ton von ihren Lippen, denn ihre Lippen waren immer verschlossen. Stumm und verbissen kämpften sie, mit der Kraft von zwei Ochsen. Es war schaurig anzusehen. Hatte man kurz das Glück und wurde von dem Kampf abgedrängt, und man sich die Grauen ansah, dann konnte einem das Herz schon bange werden. Je länger man die Grauen betrachtete, desto mehr kam man zu der Einsicht, das diese Wesen weder gut und böse waren, sondern... etwas ganz anderes, schlimmeres. Außerdem waren sie leer. Man sah es in ihren leblosen, grauen Augen. Diese Wesen hatten keine Seelen. Mehr denn je wirkten sie wie Maschinen. Ich hatte das zweifelhafte Vergnügen diese Beobachtung zu machen, da ich tatsächlich kurzzeitig von meiner Hexe getrennt wurde. Dynaheir war die überragende Person im Kampf. Ihre Magie zerschmetterte Hunderte auf einmal, und viele bewahrte sie vor dem vorzeitigen Tod durch ein Schwertstreich oder einen Axthieb. Und doch war dieser Kampf verloren.

Er dauerte erst eine Stunde an, als unsere Reihen schon ernsthafte Lücken aufwiesen. Immer mehr fielen in einer immer schnelleren Zeitspanne. Die Bewohner sahen die drohende Niederlage und stürmten nun zu Dutzenden aus ihren Wohnungen, meist Mütter mit ihren Kindern, doch kamen sie nicht weit, die Grauen waren mittlerweile fast überall in der Stadt. Und auch Dynaheir wurde schwächer. Noch immer tötete sie zahlreiche Graue, doch ihr Gang wahr unregelmäßig und oft stolperte sie. Ich versuchte mich zu ihr durchzuschlagen, doch es gelang mir nicht, zu dicht waren die Reihen der Grauen. So geschah das Unvermeidliche. Dynaheir stolperte und fiel diesmal auch hin. Sofort waren Graue bei ihr, neben ihr, über ihr. Sie mussten nicht einmal Waffen benutzen um sie zu töten. Sie überrannten sie einfach. Ich brach zusammen. Als ich sah, wie Dynaheir starb... starb auch etwas in mir. Von einem Moment auf den anderen war ich voller Hoffnungslosigkeit, voller Trauer, mir war egal was um mich passierte.

Ich stand unter Schock. So bekam ich nur sporadisch mit, wie mich eine kleine Hand packte und mich mit sich zerrte, zu groß war der Schmerz, der mir der Verlust Dynaheirs bereitete. Erst nach Stunden nahm ich meine Umgebung überhaupt wieder war. Ich war in den Abwasserkanälen der Stadt. Ein mutiger Stadtbewohner, dessen Name ich bis heute nicht kenne, brachte mich und ein paar andere hier herunter. Er ist wohl der einzigste Grund, warum ich noch lebe. Dies erzählte mir einer der Anderen, die ebenfalls hier unten waren, denn der tapfere Stadtbewohner war schon wieder gegangen, um andere Menschen hier herunter in Sicherheit zu bringen, doch kam er nicht wieder. Erst später entdeckten wir seine Leiche. Es war der kleine Gnomenfischer, der uns auch schon in der Nacht zuvor vor den Grauen gewarnt hatte. Ich schämte mich, das ich tatenlos hier rumgestanden hatte, während dieser edle Gnom versucht hatte, das Leben anderer zu retten. Ich fühlte mich auf einmal diesem Gnom verpflichtet und beschloss, zumindest diese Leute, die er schon in die Kanäle gebracht hatte und die um mich herum standen, noch zu retten.

Ängstlich brachen wir auf. "Wir", das bedeutete Ich, Boo, eine Handvoll Gardisten und noch weniger Bürger. Die einzigsten Überlebenden dieser Schlacht. Jawohl, Schlacht konnte man es nennen, den Schlacht kommt von Schlachten, und das war es auch. Eine Abschlachtung. Kein Kampf, kein Scharmützel, sondern eine Abschlachtung. Wir versuchten aus den Kanälen zu entkommen und schafften dies auch schlussendlich, doch was wir auf unserer Flucht sahen, ließ uns schaudern. Die Grauen verschonten keinen, absolut keinen. Männer, Frauen, Kinder, ja sogar Tiere wurden gnadenlos getötet, wie immer stumm und tonlos. Einige Graue sprangen sogar in das Wasser und versuchten die Fische zu töten. Jeder, der nicht vor ihnen fliehen konnte, wurde getötet, und als wir uns gerade auf den letzten Metern unserer Flucht befanden, begannen die Grauen schon die ersten Häuser einzureißen. Wir kamen an einer Stelle heraus, die von der Bewohnern Ulgoths Beard als Abfallplatz gedient hatte. Eiligst versuchten wir, so viele Meter zwischen uns und die Grauen zu bringen wie nur irgend möglich. Wir liefen den ganzen Tag und die ganze Nacht hindurch, bevor wir uns eine Rast gönnten. Wir waren in Sicherheit. Vorerst.

Einige der ehemaligen Stadtbewohner trennten sich am nächsten Tag von uns, weil sie entweder Verwandte warnen wollten oder dachten, das sie alleine bessere Fluchtchancen hätten. Ich konnte sie nicht davon abbringen. Die mitgeflüchteten Gardisten sahen mittlerweile so etwas wie ihren neuen Anführer in mir, da ich ja immerhin der Beschützer der mächtigen Wychalarn gewesen war. Mein Herz wurde wieder voller Kummer, als ich an Dynaheir dachte. Selbst Boo konnte mich nicht trösten. Und doch musste ich den Kummer vorerst beiseite schieben, denn ich hatte auf einmal die Verantwortung über einen kleinen Trupp Menschen, die ihre Heimat, ihre Häuser und auch ihre gesamten Familien verloren hatten. Mir fiel nichts besseres ein, als einige Freiwillige zu anderen Städten zu schicken, damit diese vor den Grauen gewarnt werden. Von den Freiwilligen sah und hörte ich nie wieder etwas. Mit dem Rest der Menschen ging ich nach Süden, nach Baldurs Tor, denn man sagte mir, die Mauern Baldurs Tor seien stark und man sei dort sehr sicher. Oft wurden wir auf dieser Reise angegriffen, immer von einer kleinen Vorhut der Grauen. Es waren meist nie mehr als zwei dieser grauen Gestalten, doch waren es schon genug, um uns jedes mal in arge Bedrängnis zu bringen.

Von den geflohenen Bürgern lebte fast keiner mehr, einerseits durch Angriffe der Grauen, andererseits aber auch wegen der Strapazen der Flucht. Und auch von den Gardisten lebten nur noch die Kampferfahrendsten. Insgesamt waren wir noch zwei Bürger, sieben Gardisten und Boo und ich als wir Baldurs Tor erreichten. Wir standen vor einer kleinen Bergkette, auf dessen Gipfel man Baldurs Tor ganz deutlich sehen konnte, denn es war von diesem Gipfel nur zwei Kilometer entfernt, wie der Vogel fliegen würde. Doch als wir auf dem Gipfel standen sahen wir Baldurs Tor nicht. Denn Baldurs Tor war nicht mehr. Wo früher Häuser gestanden hatten, war jetzt nur noch grauer Stein, wo früher saftige Wiesen waren, ebenso, wo Kinder früher gespielt hatten ....- nur noch grauer Stein, kurz, alles war weg. Häuser, Mauern, Wege, Wiesen, Wälder, alles war weg und dafür war jetzt überall nur noch grauer Stein....und natürlich die Grauen selbst. Selbst das nahe Meer hatte eine seltsam graue Farbe angenommen. Neben mir brachen einige Menschen weinend zusammen, denn sie hatten in dieser Stadt Verwandte gehabt. Einer der Gardisten setzte sich hin und fing an, nur noch unsinnige Wörter zu stammeln. Aber wir mussten weiter. Die Grauen hatten das Schluchzen der Trauernden gehört, daß sich an den Wänden der Berge brach und als Echo in das Tal geschickt wurde. Bis auf den einen Gardisten, der sich weigerte jemals wieder aufzustehen, flohen wir weiter. Wir flohen viele Wochen lang, immer weg von den Grauen nach Süden. Auf dieser Flucht sahen wir sonst keine anderen Menschen. Oder Tiere. Die Städte, die wir sahen, waren allesamt nicht mehr existent, an ihrer Stelle war nun grauer Stein geblieben. Doch je weiter wir nach Süden flüchteten, desto hoffnungsvoller wurden wir, denn hier gab es noch Bäume, Gräser und vereinzelt auch Tiere und die Städte waren hier nicht zerstört, sondern nur verlassen. Das bedeutete wohl, das wir entweder schneller waren, als die Grauen, oder das diese von irgendetwas aufgehalten wurden. Wir hofften natürlich das zweite.

So kam es, daß wir wieder mal eine der verlassenen Städte erreichten. Noch immer suchten wir andere Menschen, doch wollten wir hier unser Glück versuchen und nachsehen, ob in der örtlichen Schänke noch etwas essbares zu finden sei. Doch zunächst fanden wir in der Schänke etwas anderes, nämlich einen Halbelfen. Es war Haer'Dalis. Er war tot. Er lag mitten in der Schänke drin, als wäre er vom Blitz getroffen worden und einfach zusammengebrochen. In seiner Hand hielt er noch eine Schriftrolle. Ich nahm sie und sah sie mir an. Haer'Dalis wollte diese Schriftrolle eigentlich dem König Amns zukommen lassen, der in Atkatla seinen Sitz hatte. Doch erreichte ihn diese Nachricht nie. Darin stand, das die Grauen in fast ganz Faerun waren und überall kämpften und die Erde zu Stein werden ließen. Aus dem Portal kamen immer noch Krieger und nur Amn, Calisham und Zentarim waren noch nicht vollständig besiegt und boten noch Widerstand (auch wenn dieser nur sehr schwach war) Und wie es aussah waren die Grauen nicht nur in Faerun. Zwar können die Sehersteine weit sehen, doch bis Kara-Tur oder Zakhara reichten sie bei weitem nicht. Doch gab es Anzeichen, das die Grauen auch dort schon waren. Des Weiteren enthielt die Nachricht noch lange Textpassagen in einer mir fremden Schrift, dieser Teil sollte wohl nur für den König lesbar sein. Die Schrift sah sehr zittrig aus, Haer'Dalis musste schon sehr schwach gewesen sein, als er dies geschrieben hatte. Ein weiterer Beweis dafür, daß er den Seherstein benutzt haben muss. Zwar ist es bekannt das Barden über geringe magische Kenntnisse verfügen, doch hatte sich Haer'Dalis hier wohl übernommen. Vermutlich starb er an Erschöpfung. Es muss ihn schier übermenschliche Anstrengung gekostet haben, überhaupt so weit nach Süden zu kommen, so geschwächt wie er nach der Benutzung des Sehersteins gewesen sein muss. Wir bestatteten den Barden in aller Eile, füllten unserer Vorräte auf und gingen weiter Richtung Süden. Doch hatten wir durch die Nachricht des Barden nun wieder ein Ziel vor Augen. Atkatla, die größte Stadt Amns und Sitz des Königs.

Wieder waren wir mehrere Wochen lang unterwegs, doch wurden wir diesmal nicht ein einzigstes mal von Grauen angegriffen, so dass wir zügig vorankamen. Oft hörten wir in der Ferne Lärm, doch was seine Ursache war konnten wir damals nicht sagen. Schließlich erreichten wir Atkatla. Man sah die Stadt schon von Weitem, denn sie liegt in einer weiten Ebene, die man gut einsehen konnte. Sie war groß, hässlich und stank, eigentlich das genaue Gegenteil von einer Stadt, in der immerhin der König wohnte, und doch war es der schönste Anblick, den ich je sah seit ich damals Boo zum ersten mal erblickte. Denn Die Stadt war voller Menschen. MENSCHEN.... Endlich, nach Monaten der Isolation sahen wir wieder Menschen, die nicht aufgeschlitzt, zerstümmelt oder zerhackt waren, sondern die atmeten, redeten und aßen! Wir beschleunigten unsere Schritte. Innerhalb kürzester Zeit waren wir vor den Toren der Stadt, die schon weit offen standen. Verwundert blickte ich durch das Tor. Die Menschen, die unser Kommen schon von Weiten her gesehen hatten, lachten und tanzten, jubelten und jauchzten, tranken und aßen und freuten sich ihres Lebens. Verdutzt schaute ich mich um, was denn der Grund ihrer Freude sei, doch alles was ich sah, war der müde Trupp Krieger, mit denen ich schon seit Monaten auf der Flucht war. Erst als wir in der Stadt waren erfuhren wir den Grund ihrer Freude. Es waren tatsächlich wir. Die Bewohner sahen in unserem kleinen Haufen müder, dreckiger, hoffnungsloser Flüchtlinge tatsächlich die Retter ihrer Stadt.

Es war schon viele, viele Monate her seitdem der König mit sämtlichen waffenfähigen Männern und Frauen aufgebrochen war, um dem Grauen Treiben Einhalt zu gebieten. Seitdem war die Stadt schutzlos. Kein einzigster Soldat war zur Verteidigung zurückgelassen worden, jeder wurde auf dem Feldzug gebraucht. Die Bewohner lebten in ständiger Angst angegriffen zu werden und dabei völlig hilflos zu sein. Doch als sie uns sahen in unseren kaputten, verrosteten Rüstungen waren sie der festen Überzeugung, daß der König uns gesandt hatte, damit wir die Stadt verteidigten. Und da ich mehr oder weniger der Anführer zu sein schien wurde ich gleich der oberste Stadthalter Atkatlas bis zur Rückkehr des Königs. Ich fühlte mich überfordert. Ich hatte gehofft, in Atkatla meine Verantwortung gegenüber meinen Mitflüchtlingen aufgeben zu können, doch nun hatte ich auf einmal die Verantwortung über eine ganze Stadt! Und dies war nicht Ulgoths Beard, keine kleine Fischerstadt, nein, dies war immerhin die größte Stadt Amns. Wenigstens fand ich durch meine neue Position heraus, daß die verlassenen Städte, an denen wir vorbeikamen, auf Geheiß des Königs geräumt wurden und sich sämtliche Bewohner nun in Atkatla befanden. Atkatla war wohl die einzigste Stadt in Faerun, in der es noch Menschen gab, ...lebende Menschen.

Ich war keine halbe Stunde in meinem neuen Amt, als ich zum Haupttor gerufen wurde. Dort angekommen sah ich Schreckliches. Weit, weit in der Ferne war eine riesige Staubwolke zu sehen, wie sie nur große Heere auf Wanderung erzeugen konnte. Das konnte nur eines bedeuten: Der Feind war nun auch hier. An eine Flucht war nicht zu denken. So viele Leute konnte man nicht rechtzeitig vor dem Eintreffen der Grauen aus der Stadt evakuieren und selbst wenn... wohin hätten sie denn noch fliehen sollen? Atkatla war die südlichste Stadt Faeruns. Danach kam nichts mehr. Die Lage war hoffnungslos. Doch was hätte ich tun sollen? Hätte ich den Leuten sagen sollen, daß sie sich genauso gut auf den Boden legen und sterben konnten? Nun, immerhin wäre es die Wahrheit gewesen, doch brachte ich es nicht über mein Herz. Es reichte schon aus, daß ich den Menschen der Stadt in die Augen schaute. Sie hatten alle noch das Glitzern der Hoffnung in den Augen....wegen mir, wegen meiner Ankunft. Sie sahen in mir ihren Retter. Ich konnte ihnen diese Hoffnung doch nicht einfach so zerstören, oder? Und so tat ich das gleiche wie Dynaheir damals in Ulgoths Beard. Überall herrschte geschäftiges Treiben. Menschen wuselten von A nach B und Ochsenkarren zogen Materialien von einer Seite der Stadt zu der anderen. Ich gab fast auf das Wort genau die gleichen Befehle wie damals Dynaheir in Ulgoths Beard am anderen Ende Amns.

Jeder war mit Feuereifer bei der Sache, bis auf die Gardisten, die mit mir hier her geflohen waren, denn sie hatten diese Situation schon mal erlebt und wussten wie sie ausgegangen war. Trotzdem taten auch sie, was ich von ihnen verlangte. Wieder wurden Gruben gegraben, wieder gaben die Gardisten Crash-Kurse und wieder wurde versucht, die Stadt in ein Bollwerk zu verwandeln. Doch anders als in der Stadt der Fischer waren die Bewohner Atkatlas geschickte Handwerker und Schmiede, so daß die Arbeiten deutlich zügiger vorangingen. Der Feind kam näher und näher, und schon bald konnte man die ersten Krieger der Grauen erkennen. Doch halt... das waren überhaupt nicht die Grauen! Nein, es waren Menschen!

Es war ein riesiges Heer der Menschen das sich der Stadt näherte! Nun ja, unter anderem waren es Menschen. Was sich da der Stadt näherte war... einfach unglaublich. In diesem Heer war wohl jedes Lebewesen mindestens einmal enthalten. Da marschierten Paladine neben Orks, Elfen neben Drow, Eisdrachen neben Gnollen und so weiter und so weiter. Dieses Heer fasste Kreaturen jeder Art und Gesinnung. Waldläufer, Ken-Sais, Priester des Latahnder, Druiden, Liche, Skelette, Nabassus, Ogrollions, Worgs, Wolfwere, Illithiden, Gityanki, Oger, Trolle, Rakshasas, Schatten, Feuerriesen, Sahuigans. Sogar ein roter Drache war dabei, denn dies war nicht ein Kampf Gut gegen Böse, sondern dies war ein Kampf gegen etwas viel Schlimmeres und für die Freiheit Faeruns und Abeir-Torils, was sämtliche Wesen dieser Welt betraf, diese einte und sie ihre Differenzen vergessen ließen. Hatten die Bewohner Atkatlas schon mich und meinen kleinen Haufen stürmisch begrüßt, so drohte jetzt ganz Atkatla zusammenzubrechen unter den Jubelschreien der Bewohner. Alle Arbeiten wurden augenblicklich eingestellt und dafür wurde nur noch gelacht und getanzt. Doch je näher das Heer kam desto leiser wurden die Menschen, und als die ersten Einheiten durch das Tor kamen verstummten die Menschen ganz.

Es gab nicht einen einzigsten Krieger der unverletzt war, viele konnten nur noch mit Mühen gerade stehen. Selbst der rote Drache war schwer verletzt, ihm fehlte der rechte Flügel und die rechte Vorderklaue. Viele der Packesel brachten die Leichen der Gefallenen mit sich. Es war ein geschlagenes Heer. Sie hatten sich geeint und hatten als das größte Heer das Abeir-Toril je gesehen hatte für die Freiheit Faeruns gekämpft... und verloren. Doch am schlimmsten war der Blick jedes einzelnen von ihnen. In jedem der Augen konnte man das Gleiche lesen, selbst in denen der Paladine und Eisdrachen, jeder hatte die gleiche Nachricht für den, der sie anschaute: Sie waren alle schon tot, sie hatten sich bis jetzt nur geweigert zu sterben. Was ich nicht schaffte, schafften diese Blicke in Sekundenbruchteilen. Einer nach dem anderen drehten sich die vor wenigen Minuten noch singenden Stadtbewohner um und gingen in ihre Häuser. An diesem Tag übertönte das Weinen der Stadtbewohner jedes andere Geräusch. Der Befehlshaber der Armee übernahm nun das Kommando über die Stadt, denn der Königs war schon lange tot.

Mir war das recht, ich gab mein Amt gerne auf. Ich war nun frei von allen Pflichten und Verbindungen. Das erste Mal seit der Flucht aus Ulgoths Beard schlief ich ungestört und für eine lange, lange Zeit. Damals dachte ich, es sei mein letzter Schlaf, bevor der Entgültige kommen würde. Ich erwachte spät am nächsten Tag. Die Sonne schien. Der Himmel war blau. Und am Ende das Tals marschierten die Grauen auf. Wie immer hörte man nur die schweren Schritte der Grauen, diesmal waren es so viele, das sogar die Erde leicht vibrierte. Der Kommandant ließ das Heer zur Schlachtordnung antreten, damit es die letzte Schlacht auf Faerun schlagen sollte. Jeder der Kämpfer hatte mit seinem Leben abgeschlossen, ebenso wie die Stadtbewohner, weshalb es nicht weiter verwunderlich war, das sich die Bürger Atkatlas stumm in die Schlachtordnung mit aufstellten, die meisten sogar ohne Waffen. Niemand protestierte dagegen. Ich hatte immerhin einen Trost in dieser Stunde. Ich durfte zusammen mit den Eisdrachen des Heeres zusammen kämpfen. Wenigstens einmal in meinem Leben. Auch ich hatte mit dem Leben abgeschlossen. Dynaheir war tot, Valygar mit Gewissheit auch, mein Daschemma war dahin und meine Heimat war zerstört und in einen grauen Stein verwandelt worden.

Ja, ich wollte einen Heldentod sterben. Doch vorher gab es noch eine Sache die ich erledigen musste. Ich entließ Boo in die Freiheit. Ooh, nie zuvor hat ein Rashemen-Waldläufer und sein Hamster mehr geweint als wir beide an diesem Tag. Ich ließ Boo einen Beutel mit Goldstücken zurück damit er vielleicht noch ein Boot chartern könne, falls noch eines existieren sollte, dass ihn mitnimmt, irgendwohin, nur nicht zu den Grauen. Ich wollte nicht das Boo stirbt, nicht durch die Hand eines Grauen. Ein letztes Mal berührte ich sein wuschliges Fell und ging dann mit einem traurigem Ausdruck auf dem Gesicht zum wartenden Heer. Noch lange meinte ich den kleinen Hamster weinen zu hören.

Das Heer marschierte los, es gab keinen Grund warum wir noch hätten warten sollen. Sterben würden wir so oder so, was machten da schon noch ein paar Minuten aus? Die Schlacht tobte mit erbitterter Wut. Anders als in Ulgoths Beard waren dies hier nicht einfache Fischer, die ein Schwert in die Hand gedrückt bekommen haben, sondern ausgebildete Kämpfer! Zu meinem Erstaunen hielten wir uns ausgesprochen gut, die Grauen hatten weit mehr Verluste als wir. Vor allem der rote Drache Firkraag wütete enorm unter den Grauen. Doch soviel wir auch erschlugen, es kamen immer mehr von ihnen und immer mehr, mehr, mehr, mehr. Die Schlacht tobte nun schon seit einem Tag. Von den Stadtbewohnern lebte keiner mehr, sie hatten keine Chance unbewaffnet gegen einen Grauen. Und auch der größte Teil des Heeres war schon tot. Doch der Rest leistete erbitterten Widerstand. Mächtige Magie der Drow, Rakshasas und Gityanki zerschmetterte immer wieder Welle um Welle der Grauen und auch die Ken-Sais und Feuerriesen kannten keine Gnade. Es wurde Abend. Nie zuvor hatte ich Wesen gesehen, die auf Seite der Grauen Magie einsetzten, doch als es Abend wurde, sah ich sie doch. Entfernt sahen sie Magier ähnlich, doch waren sie dafür zu groß und hatten viel zu viele Arme. Blitze zuckten aus ihren Händen und erschlugen viele, bevor ein paar Drow-Magier ein Schutzschild gegen die Geschosse aufbauen konnten. Einer dieser Blitze hätte auch mich fast durchschlagen, doch traf mich dieser Blitz nicht, weil ich stolperte... über Boo! Dieser kleine tapfere Hamster war mir gefolgt über das gesamte Schlachtfeld hinweg und erst jetzt bemerkte ich ihn. Oh, was war ich froh, Boo wieder zu sehen. Meinen treuesten Gefährten und besten Freund. Wieder mussten ich und Boo weinen, doch diesmal waren es Freudentränen. Ich hätte ihn niemals in der Stadt zurück lassen sollen, niemals. Doch jetzt war er ja bei mir, und gemeinsam stürzten wir uns in unsere letzte Schlacht.

Die Schlacht dauerte weitere Stunden, und auf beiden Seiten gab es große Verluste, doch konnten die Grauen diese sofort wieder ausgleichen, während wir immer weniger wurden. Firkraag war tot, von den Wolfweren lebte nicht einer mehr und auch sämtliche Eisdrachen waren vernichtet. Doch leisteten wir noch immer Widerstand. Wir wollten unsere Haut so teuer wie möglich verkaufen. Doch da geschah etwas, was bisher noch nie geschehen war: Einer der Grauen redete. Um genau zu sein, es war eines der Magierwesen, das redete. Und kurz darauf stimmten die anderen Magierwesen in das Gemurmel des ersten mit ein. Ihre Stimmen klangen... grauenvoll. Es hörte sich an, als... als... als würde man zwei Metalle aneinander reiben. Es tat weh in den Ohren, man bekam Kopfschmerzen kurz gesagt, es war eine Vergewaltigung der Sinne. Diese Wesen waren zum Reden nicht geschaffen. In den Händen des ersten Magierwesen wuchs ein rotes Licht heran das schnell an Intensität gewann. Es wurde immer größer und heller und größer und heller und größer und................ ................und auf einmal war ich hier auf eurer Welt, werter Abenteurer.

Das Schwert noch in der rechten Hand, Boo in der linken und den Mund voller Dreck. Tagelang irrte ich herum und wusste nicht wo ich bin. Ich überlegte sogar, ob ich vielleicht tot wäre. Doch fand ich weder Dynaheir noch Valygar, weshalb ich wohl doch nicht tot sein konnte. Langsam gewöhnte ich mich an eure Welt, und ein äußerst freundlicher Gastwirt gab mir sogar eins seiner Zimmer für umsonst, dafür half ich ihm auch bei seiner Arbeit, besonders mit pöbelnden Gästen hatte ich in der Zeit viel zu tun. Vor wenigen Wochen dann sah ich ein Plakat an der Tür des Wirtshauses hängen, wo nach Abenteurern gesucht wurde, die bei der Befreiung der Seeschlangen mithelfen wollten. Ich bedankte mich ausführlich bei dem Wirt für seine Freundlichkeit, schnappte mir Boo und machte mich auf den schnellsten Wege auf in das Reich der edlen Lady Michelle. Lange überlegte ich, wie ich hier her gelangte, doch fand ich die Antwort erst vor ein paar Tagen. Ich traf am Lagerfeuer auf Nah´denur, er kommt ebenfalls von Abeir-Toril, doch weiß er nicht mehr aus welcher Zeit. Nah´denur sagte, auf ihn würde der Zauber "Einkerkerung" gesprochen, und je länger ich überlege, desto überzeugter bin auch ich, daß dieser Magier der Grauen den selben Zauber auf mich ausgesprochen hat. Laut Gelehrten bewirkt dieser Zauber, daß man sich 20 Kilometer unter der Erde in einem winzigen Gefäß wiederfindet, was wohl in den meisten Fällen tödlich enden würde. Doch allen Anschein nach wird man durch diesen Zauber auf andere Planeten teleportiert. Wie es aussieht, sogar auf verschiedene, denn wenn alle Geschöpfe nur hier landen würden, über die dieser Zauber ausgesprochen wurde, würde diese Welt wohl überquellen von den Bewohner Abeir-Torils.


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Text: Naatz / Bild: Mike Sass