Lady Armarcia
das letzte Einhorn

Wahrhaft und doch meist nicht wahrgenommen schritten einstmals die Einhörner, viele Tausende an der Zahl, durch die Welt der Phantasie. Niemand konnte ihrem Reiz entgehen, der sie einmal erkannt hatte. Doch irgendwann verschwanden sie lautlos aus den Naturwäldern, den Eichen- und Birkenhainen, den Sommerwiesen, in denen sich Kinder mit ihnen tummelten. War es das Trauma des vernunftbegabten menschlichen Wesens oder doch nur der Rote Stier, der sie in das Land der Angst gejagt hatte - man weiß es bis heute nicht!

Dennoch blieb eines von ihnen übrig, vielleicht, weil es soo weit abgeschieden war von Menschen und lebte in jenem Land, das man es möglicherweise als das Paradies bezeichnen könnte. Wie man weiß, begegnete dem letzten Einhorn ein kleiner singender Schmetterling, der es auf die höchste Art erstaunte,...einerseits durch seine wirren und doch romantischen Gesänge, die er wohl in der Welt irgendwo da draußen aufgeschnappt hatte, andererseits durch seine erstaunliche Kenntnis der Dinge, die er gesehen hatte. Doch erst als das letzte Einhorn sicher war, daß jener Schmetterling ihn nicht nur als eine Stute, sondern als etwas sehr älteres, nämlich als ein Einhorn erkannt hatte, erfuhr es von ihm, daß es das letzte Einhorn in den Wäldern ist und damit eine Aufgabe zu erfüllen hat. Und so machte es sich auf die Suche nach dem roten Stier, von dem der wundersam tänzelnde Schmetterling gesprochen hatte. Konnte es ihm trauen..., er war in soo vielen Reimen verhaftet... Doch so allein, mit der Gewißheit, daß die anderen Einhörner, gefangen vom weißen Stier, irgendwo verschollen sein sollen, konnte dieses Einhorn nicht leben.

So kam es, daß die Geschichte ihren Lauf nahm und allen ist bekannt, wie die Geschichte mit meiner Mutter Armarcia und dem Roten Stier ausging. Nun, es wird jedermann erstaunen, doch bin ich tatsächlich ein Nachkommen Prinz Lear´s und der in jener Zeit durch den Zauberer Schmendrik menschlich gewordenen Armarcia, die sich bis zum Ende verliebt, nicht von ihren - für ein Einhorn ungewöhnlichen Gefühlen - trennen konnte. Meine Mutter empfand Leid und Liebe - eine Liebe, die niemals ein unsterbliches Wesen berührt hatte. So zeugten sie mich in den unbeschreibbaren Wäldern ihres Reiches, nachdem Prinz Lear auf die Suche gegangen war und sie wiedergefunden hatte. Sie nannten mich nach meiner Mutter Armarcia, - das wirklich letzte Einhorn - , da es die anderen Einhörner eben nur in der Phantasie der Menschen gibt. Doch ich war ein Kind der Gemeinsamkeit...daheim zwischen Phantasie und dem menschlichen Realismus. Meist in Menschengestalt kann ich mich aber auch in ein Einhorn verwandeln, sogar ohne die Zaubersprüche des lieben Zauberers Schmendrick. Prinz Lear blieb in den Jahren meiner Kindheit bei meiner Mutter und mir, bis sie verstarb. Ja, nach ihrer Verzauberung in ein Menschenkind war sie sterblich geworden, auch wenn die Rückverwandelung in ein Einhorn gelungen war. Auch ich bin sterblich und meine Jahre vergehen wie die eines Menschen. Nach meiner Mutter Hinscheiden nahm mich mein Vater mit in sein Reich und meine Jugend verlebte ich in Abgeschiedenheit mit ihm, bis er sich vor Trauer um seine Liebe das Leben nahm. Seitdem wandelte ich durch die Welten und fand das Reich der Lady hier.

Text: Armarcia / Bilder: ?