Der nächste Tag

So wachte Engelchen gähnend am nächsten Tag auf, als sie Lady Lucy herumschleichen hörte. "Warum hast du mich nicht geweckt,Lucy?" Lucy setzte sich ans Feuer und räckelte sich: "Ich wollte dich nicht stören, aber nun bist du ja erwacht." Engel Veronika erzählte der Lady von ihren Träumen...oder war es Wirklichkeit? Sie meinte eine Gestalt gesehen zu haben, eine Erscheinung in buntem Nebel. Lady Lucy meinte: "Vielleicht war es wieder das Zerrbild, welches dir schon einmal erschien...es gibt viele Schatten in diesen Wäldern." Ängstlich kuschelte sich Engelchen an Lady Lucy, die lächelnd einen Arm um sie legte. Auch Rass´Xar, der Dunkelelf erschien nun am Feuer schon von der Ferne Begrüßungen rufend. Als er am Feuer angelangt war verbeugte er sich vor den Ladys und seine zwei Schwerter kreuzten sich auf seinem Rücken. Ein drittes trug er in seiner rechten Hand. Engelchen, neugierig wie es nunmal ist, schlich sich um ihn herum und bestaunte die Schwerter: "Wieviele hast du denn? " Rass´Xar zeigte eines nach dem anderen vor: "Nun zuvor hatte ich nur zwei, dieses hier (schwarzrot war es und die Schneide war von scharfkantigen Stacheln unterbrochen) ist Drachenauge. Das andere (blauschwarz glänzend und leicht gebogen) ist Bluttrinker. Und das dritte, (ein prächtiges Schwert aus Mithril - eine augenscheinliche elbische Arbeit, mit Blättern zu Ornamenten verziert) dieses hat mir Lady Michelle überreicht. " Auf die Frage von Veronika, welches er am liebsten mag, meinte er zögernd: "Nun die ersten beiden mußte ich mir teuer erkaufen...den Lohn für das dritte muß ich noch erbringen. Vielleicht muß ich etwas wiedergutmachen, bei mir selbst und meinem Gewissen gegenüber. "Mit diesen Worten setzte sich der Dunkelelf grübelnd ans Feuer. Weiter erzählte er von seinem Volk, den Dunkelelfen - auch Drow genannt: "Die Dunkelelfen hassen die Oberirdischen, jede Priesterin vereidigt sich darauf, alle zu töten, die keine Dunkelelfen sind. Und selbst vor ihresgleichen machen sie keinen Halt, wenn es darum geht, Macht zu erlangen." Lucy warf ein: "Nach dem, was ich hörte, gibt es dort weder Freundschaft, noch Liebe, noch Vertrauen." Rass´Xar nickte traurig: "Freundschaft nur selten und wenn dann unter den Jüngeren. Liebe ...naja... die Pristerinnen verstehen darunter nur den Akt mit den niederen Männern oder den etwas höher gestellten, um Nachkommen zu zeugen..." Lady Lucy erschauderte: "Zweckbündnis... so muß es dort sehr einsam und kalt sein... Wie lange ist es her, seit ihr von dort geflohen seid?" Der Drow überlegte: "Nun, man wird dazu erzogen, das Gebilde fängt nur an zu wanken, wenn man etwas anderes kennenlernt...es sind jetzt zehn Jahre und es war ein großer Schritt, dort auszubrechen und es verlangte viel von mir, doch das jetzt zu erzählen wäre verfrüht." Lady Lucy fragte weiter: "Habt ihr euch zurechtgefunden in der neuen Welt?" Rass´Xar kramte in seinem Rucksack und murmelte: "Es war lebenswichtig, sonst wäre ich heute nicht hier. Wir sind nicht beliebt..."

Er zog sein Mithrilmesser und die Dose mit der roten Paste aus seinem Beutel, dazu noch zwei Flaschen und eine Ebenholzschachtel mit Pflegemitteln für seine Schwerter. Die Fressalien bot er Lady Lucy an, die sich gierig darüber hermachte. Engelchen, die im näheren Umkreis Holz geholt hatte, wurde auch dazu eingeladen und gedankenverloren träumte sie vor sich hin. Vor allem dachte sie an Pippin, den sie sehr vermisste, aber auch an den Reisenden und an mich, die ich noch immer am Feuer fest schlief und nur in Visionen dieses Geschehen mitverfolgte.

Lady Lucy war noch immer nicht dahintergekommen, woraus diese leckere Paste hergestellt war und so fragte sie Rass´Xar. Er meinte, es wäre ziemlich egal, welche Kräuter man dazu verwenden würde, aber Petersilie und Schnittlauch müßten dabei sein und auch ein wenig Kresse; für die Farbe dann Radieschen ... doch der Trick dabei ist die Magie. Lucy wollte sofort etwas davon kaufen, doch Rass´Xar lehnte ab. Knurrend blickte Lucy in die Flammen. Während der Dunkelelf seine Schwerter versorgte, schielte er zu Lady Lucy: "Ihr seid leicht reizbar, Lady." "...und ihr seid nicht sehr gesellschaftsfähig...das muß an eurem Ursprung liegen," konterte sie "...man sieht das Blut ist nicht zu besiegen, davor konntet ihr nicht fliehen." Bösartig grinste sie den Drow an. Doch ließ er sich das nicht gefallen und erwiderte: "Och so früh am Abend schon Vorwürfe von einer Diebin?" Mit wütend funkelnden Augen fauchte sie: "Ihr nennt mich eine Diebin?" Rass´Xar schmunzelte: "Hmm...wie soll man jemanden, der Mitglied einer Räuberbande war, denn sonst nennen? Konkubine?" Das war zuviel...empört rief sie: "Wir waren keine Diebe... Duhan war einer der Weisen. Ihr beleidigt ihn und das freie Volk!" Als ob Lady Lucy das gefährliche Funkeln in den Augen des Dunkelelfen bemerkt hätte, nahm sie einen tiefen Schluck aus der Flasche und verschwand.

Inzwischen war das Häschen liebrita aus dem Wald ans Feuer gehoppelt und beschnupperte den Drow neugierig. Nach einer gewissen Zeit der Begrüßung und Vorstellung kam auch Naatz ans Feuer geschlurft, ein verschlafenes "Morgen..." auf den Lippen. Das Häschen hüpfte erfreut auf und rannte zu ihm. Rass´Xar entschuldigte sich noch einmal bei Naatz, weil er seine Eltern in den Tagen des Chaos dahingemordet hatte, welches in seiner Geschichte nachzulesen sein wird. Naatz nickte verständnisvoll: "Naja, ihr konntet ja nichts dafür...ich kannte ja nicht einmal wirklich..." Rass´Xar immer noch beschämt meinte: "Nun, trotzdem, ich sage es, bevor böses Blut entstehen kann, nur aus Vorurteilen und der Geschichte heraus." Naatz winkte ab: "Aber...das ist jetzt alles Vergangenheit, wenden wir uns doch der Zukunft zu." Freudig hörte Naatz von Rass´Xar, daß jener Abeir - Thoril kannte. Auch ihn... Naatz und den kleinen Boo schien der Drow zu kennen. "Baldur´s Gate?" fragte Rass´Xar. Naatz nickte lächelnd: "...aber von dort kennt ihr nur Boo." Rass´Xar schug sich an den Kopf: "Stimmt, der niedliche, fiepsende Hamster...der nie mag, wenn man ihn anpackt." Engelchen warf noch schnell dazwischen: "...der Nichtschwimmer! ...der meine Nüsse und Trauben alle gefressen hat!" So recht konnte sie es noch immer nicht verzeihen. Doch Naatz versichterte, daß Boo im Moment auf Diät ist.

Auf die Frage von Engelchen, woher die Drow ihre dunkle Hautfarbe herbekommen erzählte Rass´Xar noch ein wenig von seinem Volk: "Wir sind so geboren...oder verflucht kann man auch sagen...die Drow sind halt ein Haufen psychopathischer Killer." Naatz meinte: "Das müssen sie auch sein, um da unten zu überleben." Nachdenklich erwiderte der Dunkelelf: "...aber die Zwerge und Halblinge schaffen das auch, ohne alle zu töten, die ihnen unter die Nase kommen." Naatz sinnierte: "Wenn ein Drow ans Licht kommt und dort bleibt, dann geschieht das fast nie freiwillig. Habt Ihr es eigentlich weit gebracht? Ich meine als männlicher Drow?"

Doch vielmehr wollte Rass´Xar von seiner Vergangenheit nicht erzählen, nur auf die Fragen, wie sich die Drow vermehren und wie sie aussehen, antwortete er: "Natürlich vermehren sich die Drow geschlechtlich. Die Dunkelelfen sind quasi die schönsten Elfen, außer den Lichtelfen. Sie ziehen mit den Fairelfen gleich. Nur sind sie halt sozusagen am anderen Ende der Evolutionsleiter. Sagen wir so: Von den sterblichen Elfenrassen sind die Dunkelelfen genauso schön, wie die Fairelfen...nur die Lichtelfen stechen aus der Statistik heraus. Doch stehen die Drow komplett auf der anderen Seite...sie würden sich gegenseitig ohne zu zögern töten." Naatz meinte dazu: "Diese beiden Rassen (die Dunkelelfen und die Fairelfen) haben doch früher erbitterte Kämpfe gehabt, was doch auch der Grund war, weshalb die Drow in das Unterreich geflohen sind." Rass´Xar nickte: "Alle Elfen haben die Dunklen gejagt, deswegen kommen die Drow immer wieder an die Oberfläche und jagen andere Elfen oder Menschen...und in den Bergen die Zwerge. Die Drow killen halt alle Nicht-Drow und das bemerkenswerteste ist, bei ihnen herrschen die Frauen." Naatz bemerkte abfällig: "...störrische alte Weiber" worauf Rass´Xar erwiderte: "Naja, die Mütter Oberinnen vielleicht, die anderen(die jüngeren Dunkelelfinnen sind nicht zu verachten,...wenn man Schmerzen mag." Naatz schaute auf: "Oho...ich glaub ich weiß, was ihr meint...manchmal überleg ich mir, daß es als männlicher Drow auch gute Seiten gibt." Doch Rass´Xar schüttelte heftig mit dem Kopf: "Oh, nein! ...aber es kommt natürlich darauf an, welchem Haus man angehört und welche Stellung man hat." Neugierig fragte Naatz: "Was war eigentlich die höchste Stellung, die ein männlicher Drow je bekommen hat und wie viele Tage hielt das?" Rass´Xar überlegte eine Weile: "Soweit ich weiß ´Gemahl der obersten Mutter` und nun schon auf länger." Naatz blickte erstaunt auf: "Was?...Kein Mord?...Keine Intrige?" Rass´Xar antwortete: "So dumm sind die auch nicht. Ohne Grund dürfen die Frauen Adlige auch nicht töten, aber Intrigen? Hmm...also genaugenommen ist bei denen schon eine Intrige am laufen, wenn sie einen morgens grüßen." Naatz entgegnete: "Und trotzdem haben sie es geschafft, eine der gefürchtedsten Rassen überhaupt zu werden." Der Dunkelelf nickte: "Sicher, alle mißtrauisch...die Krieger auf ein Höchstmaß trainiert...die Priesterinnen gefürchtet...die Ausrüstung vom Feinsten. Wenn ein Straftrupp ausgesandt wird, dann haben die normalen Elfen denen nichts entgegenzusetzen, da ist ein Drow gut und gerne 20 Waldelfen wert." "Außer wenn die Waldelfen gerade im Wald sind und es gerade nicht dunkel ist." warf Naatz ein, der sich besann, daß er die Oberwelt zu verteidigen hatte. Doch wir wissen ja, daß sich Rass`Xar von seinem Volke abgewandt hatte und den Weg des Friedens in den Welten suchte.

So wird die Geschichte der Drow an anderer Stelle weitererzählt werden. Zunächst einmal gilt es ins Auenland zu ziehen, welches nicht weit entfernt hinter den Nebelbergen in einem Tal liegt. In einer Vision träumte ich von einigen Gefahren auf dem Wege dorthin...

weiter ins Auenland