"Erinnerungen" Zuerst bezauberte mich die Sanftheit deiner Stimme und die geflochtenen Worte - obwohl ich den Sinn kaum verstand. Allmählich schien es, als nähmen die Worte Gestalt an und Visionen von fernen Welten und hellen Dingen, die ich mir niemals hätte vorstellen können, erschlossen sich vor mir, und der vom Licht erleuchtete Raum wurde zu einem goldenen Nebel über unermeßlichen Meeren, die an den Rändernder Welt seufzten. Im nächsten Augenblick bemerkte ich die Augen - diese tiefliegenden Augen sahen mich prüfend an, gemessen und ernst, aber sehr durchdringend. Später habe ich immer wieder versucht, meinen ersten Eindruck von diesen Augen zu beschreiben. Man hatte das Gefühl, als ob ein gewaltiger Brunnenschacht hinter ihnen lag, angefüllt mit Erinnerungen einer unendlich langen Zeit und langem, bedächtigem, beharrlichem Denken, aber auf ihrer Oberfläche schillerte die Gegenwart , wie Sonne, die auf den Blättern eines riesigen Baumes schimmert, oder wie das Wellengekräusel auf einem sehr tiefen See. ich weiß nicht, aber man hatte das Gefühl, als ob etwas, das im Boden wächst - schlafend, könnte man sagen, oder einfach selbst als etwas zwischen Wurzelspitzen und Blattspitze, zwischen tiefer Erde und Himmel Empfindendes - , plötzlich erwacht war und einen mit derselben bedächtigen Aufmerksamkeit betrachtet, die es seit endlosen Zeiten seinen eigenen inneren Gedanken geschenkt hatte. Niemals zuvor war mir so deutlich zum Bewußtsein gekommen, wie sich die Rinde eines Baums anfühlte und wie sie und das Leben in ihr beschaffen sind. Das Holz und die Berührung erfüllte mich mit Freude, nicht mit der eines Försters oder Schreiners; es war die Freude am lebendigen Baum selbst. Die Baumstämme leuchteten in einem sanften Grün, wie junges Gras; Vorfrühling oder ein flüchtiges Traumbild des Frühlings lag auf ihnen. Zu den Füßen der Bäume und überall auf den grünen Hängen der Hügel war das Gras mit kleinen, goldenen Blüten in Sternenform übersät. Zwischen ihnen, die auf schlanken Stengeln nickten, standen noch andere Blumen, weiß und blaßgrün. Sie schimmerten wie einNebel inmitten der satten Farbe des Grases. Über all dem war der Himmel blau und die Nachmittagssonne glühte über den Hügeln und warf lange grüne Schatten unter den Bäumen. Mir schien es, als sei ich durch ein hohes Fenster getreten, das auf eine verschwundene Welt blickt. Ein Licht lag auf ihr, für das meine Sprache keinen Namen hatte. Mir war es, als seien die Formen und Farben erst jetzt ersonnen und erschaffen worden und zugleich alt, als ob sie seit eh und je dagewesen waren. Ich sah keine Farben außer denen, die ich kannte, aber sie waren frisch und strahlend, als nähme ich sie in diesem Augenblick zum ersten Mal wahr und erfände neue, wunderbare Namen für sie. Ich hatte das Gefühl, als sei ich in einem zeitlosen Land, das nicht vergeht oder sich verändert - oder in Vergessenheit gerät, Später wurde die Verzauberung immer traumähnlicher, aber gleichzeitig bewußter, - bis ich das Gefühl hatte, über mich fließe ein endloser Strom von wallendem Gold und Silber hinweg, der zu vielfältig war, als daß ich sein Muster hätte begreifen können. Der Strom wurde ein Teil der Luftschwingungen und durchtränkte und überflutete mich. Seitdem begleitet mich der Zauber durch die Zeit und die Welten, denen ich begegne, - und er wird nicht weichen, weil die Grenzen des Phantastischen überschritten sind - und sie niemals weiter überschritten werden können. (Frühjahr 1997; angelehnt an Tolkin,HdR)