Das Leben , der Wandel und andere Rätsel
Autor unbekannt


An einem Waldrand irgendwo in unsrer Welt saß ein junger Mann und grübelte. Er war in den Wald gegangen, um etwas zu suchen - doch nun hatte er vergessen, was es gewesen war... was war zu finden in einem Wald? Waren es die Kiefernzapfen gewesen, welche er suchte? Nein, die Kiefernzapfen waren es nicht. Waren es die Eicheln gewesen, welche er sammeln wollte? Nein, nicht die Eicheln, welche das Feuer beheizten, waren es, was er suchte... aber war es nicht wichtig gewesen, was er von hier mitnehmen wollte? "Nun, wenn mir meine Gedanken den Weg nicht weisen, so will ich mit den Füßen suchen!" seufzte er und schritt tapfer aus, tiefer in den Wald hinein. Er lief und lief, bald seinen Füßen, bald seinen Gedanken hinterher, und mit jedem Schritt vergaß er ein wenig mehr.... nunmehr wußte er nicht mehr, was ihm den Weg zum Walde geleitet hatte, und so irrte er und irrte, bis er auf eine Lichtung stieß, welche durch einen Sonnenstrahl in märchenhaften Farben schillerte, der untergehenden Sonne zum Grusse. Und er erinnerte sich.... vage erinnerte er sich an sein Ziel, wußte es jedoch nicht zu greifen. Müde und abgekämpft, ratlos und voller Verwirrung blickte er auf die Lichtung und bemerkte plötzlich einen alten Mann, welcher ihn alsbald zu sich winkte und ihm zu trinken anbot, während ein Feuer lustig und einladend prasselte. "Wer bist du?" fragte der alte Mann den jüngeren Gefährten, welcher an seine Seite getreten war, das gebotene Getränk dankend annehmend. Und der junge Mann suchte die Antwort, konnte sie jedoch nicht finden - verloren war diese wie alles andere, was an diesem Tage geschehen war. "Nun," sagte der alte Mann und lachte leise, "weißt du es nicht mehr?" "Nein" sprach der junge Mann bedrückt - "Ich kam in den Wald um etwas zu suchen, doch ich weiß nicht mehr was. Doch nicht heimkehren will ich, ohne es gefunden zu haben." "Nun", sprach der alte Mann, wenn du nicht weißt, was du suchst, doch daß du suchst, so will ich dich Sucher nennen.... und nun will ich dir eine Geschichte erzählen, denn ich bin der Geschichtenerzähler - und nicht mehr. Geselle dich zu mir, und wenn du willst, so werde ich dir erzählen." "Ich werde in Geschichten sicher nicht finden, was ich suche," erwiderte der Mann zögernd... "Nun, aber ziellos suchen willst du wohl auch nicht mehr?" Unter dem durchdringenden Blicke des alten Mannes, wurde unsrem Suchenden unbehaglich und so zögerte er weiter. Da - plötzlich - brach der alte Mann in silberklares Lachen aus und sprach: "Junger Freund, zu verlieren hast du nichts. Deshalb setze dich zu mir, höre mir zu und gehe nach Belieben - du weißt du bist frei, und ich werde dich nicht halten - doch vielleicht, gibt es Wahrheiten, die in den alten Geschichten liegen...." Nun endlich wagte es der Suchende, sich zu setzen und zu lauschen, denn er mußte dem alten Kauze recht geben - was hatte er nunmehr zu verlieren? Der alte Mann schaute sinnend in die Glut des Feuers, beobachtete das Werden und vergehen der feurigen Landschaften und hob an zu erzählen: "Dies ist die Geschichte der Welt, welche so alt ist wie das Meer. Dies ist die Geschichte des Wandels, der so stetig ist wie die Gezeiten Dies ist die Geschichte der Suche nach Wahrheit: Die Welt des Ursprungs, der Ort, wo alle Fäden zusammenlaufen, ist blau. Blau wie der Himmel am Sommertag, blau wie das Meer, blau wie die tiefe Stille, welche in den sich spiegelnden Flächen mancher Seen zu finden ist. Das Land des Ursprungs, der Urgrund allen Seins existierte viele, viele Jahre, bevölkert von den Völkern alter Zeiten. Doch entschwand diese Welt den Augen der Menschen, wanderte in die Vergessenheit , um nur noch jenen zur Erinnerung zu reichen, welche aus diesem Lande stammten, ein Teil dieses Landes waren. Was geschah mit dieser Welt? höre ich oft fragen, wer nun aber stammte aus dieser Welt, - und wo ist er, der Glauben dieser Welt und ihrer Völker? So habet acht und lauschet den Worten, welche zu sprechen ich angetreten bin: Einst, vor unaussprechlich langer Zeit, lebten die Menschen in Einklang mit allen Wesen, die sie umgaben, in der Welt der ersten Stunde. Die Stille ihrer Herzen, die Stille ihrer Seele, welche nicht suchte, nicht hoffte, sondern einzig war, erhob diese Welt zu strahlender Schönheit - zu einem Bilde vollendeter Harmonie. Es gab einen Glauben, ein Wissen, einen Gedanken, welcher sich über diese Welt ausbreitete, noch nicht vergessen war der Tonus, welcher als Gottes Stimme bekannt war. Und so verfügten alle Seelen auf dieser Urwelt über eine unerschöpfliche Vorstellungskraft, über eine hernach unerreichte Weisheit. Sie heilten, sie arbeiteten, sie schufen das, was ihr heute in tiefen, tiefen Minen als Edelsteine findet - kleine Juwelen, die mit den Sonnenstrahlen um die Wette leuchteten - ein jeder mit seiner eigenen Geschichte, seinen eigenen Schutzbefohlenen. Sie begegnet euch heute in jenen Düften und Farben, welche einst aus dem tiefen Blau der Weisheit geschaffen wurden, sie begegnet euch heute in den unzähligen Facetten des Regenbogens und erweckt in euch einen Einklang der Sehnsucht nach jener verlorenen Heimat. Was aber ließ diese Welt vergessen werden? Nun, nichts währet ewig, außer jenem, der diese Welt erschuf. Die Urwelt selbst, von der ich euch erzähle, ist nie vergangen, sie ist in euch, um euch, zu erkennen in einem jedem Sonnenstrahl, in einem jeden erhabenen Augenblick, im Geräusch des Wassers, in dem Rascheln der Blätter, im Rauschen des Windes. Doch begannen die Menschen zu suchen nach dem Sinn, der hinter all jenem verborgen lag, was sie sich selbst erschufen als Harmonie, als Licht, als Bild. Und so begann die Welt vergessen zu werden, so begann die Welt zu entschwinden den bewußten Gedanken, so begann die Welt zu treiben in der Flut des Ungreifbaren. Eine neue Welt entstand, in der geforscht wurde nach neuen Möglichkeiten, nach neuem Sein - und Wettstreit kam auf, wer wohl das Recht zu heilen, wer wohl das Recht zu lehren habe. Und so wurde viel geredet, viel geforscht und schließlich fanden die Seelen die Trennung des Seins und es entstanden Gruppen von Menschen, welche lehrten, Gruppen von Menschen, welche führten, Gruppen von Menschen, welche dienten... Der Mensch hatte die Macht gefunden und setzte nun jenes, was er erschuf, zu seinem Zwecke ein. Strahlen sollte alles, was er tat, bekannt werden sollte sein Ruf, und so setzten die Menschen sich hinweg über jenes, was sie als richtig erkannt hatten - setzten sich hinweg über die Gesetze, die für alle galten, bis sie schließlich in ihrem Übermute soviel Macht entstehen ließen, daß die Erde erbebte und ihr neues Land auf immer zerstört wurde. Einige wenige konnten dieses Unglück überleben, sie suchten ein neues Land, in welchem sie wirken konnten, und so entstanden jene Denkmäler, welche gleich einem Mahnmal - an die sieben Stufen der Energie, die sieben Stufen des Lichtes erinnern sollten. Doch auch diese Menschen verschwanden, vergingen, wechselten ihre Körper, gingen auseinander und irrten durch die Welt, ein jeder für sich, ein jeder allein. Manche blieben zusammen, trafen sich wieder, bildeten Gruppen, gaben weiter das alte Wissen, welches verloren geglaubt. Und doch blieb auch ihnen die Sehnsucht nach Erkenntnis, die Suche nach der Heimat, die Suche nach Weisheit erhalten, denn mit der Trennung kam auch die Angst - die Angst vor dem Weg ohne Wiederkehr. Und so gibt es auch heute noch Seelen, welche verzweifelt suchen nach ihrer Heimat. Wer weist ihnen den Weg? Wer weist ihnen das, was wahr ist als Ziel? Wer kann ihnen sagen, wo jene sind, welche verloren geglaubt umherirren? Und wie finden sie das alte Wissen, welches nun so unsagbar fern erscheint? Woher nehmen das Schaffen, woher nehmen die Erkenntnis?" Nach diesen Worten sah der alte Mann den Sucher an und sprach: Und so sage ich dir, geliebter Sohn - die Welt die du suchst, sie war nie fort. Denn du selbst bist ein Teil dieser unermeßlich großen Welt. Du selbst bist ein Teil der Erkenntnis, welche diese große Welt gestaltet - und so folge deinem Gefühl bei jedem Schritt den du gehst... vertraue, daß alles Wissen, daß diese erste Welt bereit ist, sich von dir finden zu lassen. Du findest sie in jedem Sonnenstrahl, in jedem Dufte. Du findest sie in den Augen deines, jeden Kindes. Vertraue darauf, daß diese Welt niemals weg und jederzeit da ist, dich zu erquicken, dich zu laben und zu empfangen. Und so vertraue deiner Weisheit, denn es ist die Weisheit unzähliger Wege - und dort, wo du bist, laufen diese Wege zusammen. Und so lerne vom Wasser, vom Winde, lerne von den Feuern, welche Funken stiebend dich leiten und erhellen. Und lerne von der Luft das Wehen, das Werden, das Vergehen - und das Fliegen. Nachdem diese Worte gesprochen waren, erhob sich der alte Mann und schritt seines Weges. So tief wie die Runzeln in seinem Gesicht, so leicht war sein Gang. Und die Welt hielt einen Moment lang inne, bevor sie sich weiterdrehte.