Der Rosenräuber
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Es
war einmal vor langer Zeit eine junge Prinzessin, die auf einem großen
Schloss lebte. Sie war sehr fröhlich, diese junge Prinzessin und alle
Diener des Schlosses hatten sie sehr gern, denn sie war stets nett und
freundlich zu ihnen - nicht so wie ihr Vater, der immer herrschsüchtig
herumkommandierte und die Diener manchmal für Nichtigkeiten anschrie und
niedermachte. Bei der jungen Prinzessin fanden sie jedoch immer ein Ohr
und die Prinzessin tat ihrerseits ihr möglichstes, um ihrem Vater mehr
Freundlichkeit beizubringen, aber der König traute der Freundlichkeit
nicht und meinte, Diener müssten kommandiert werden, sonst würden die
nicht das tun, was man sagt. Da hatte zwar die junge Prinzessin mit den
Dienern des Schlosses ganz andere Erfahrungen gemacht, aber die zählten
beim König nicht. Und so war jedermann froh, wenn sich der König nicht
so oft blicken ließ. Das Schloss, auf dem die Prinzessin lebte, hatte
auch einen riesigen, wunderschönen Garten, der fast so groß war wie zehn
große Parkanlagen. Viele Gärtner waren damit beschäftigt, diesen herrlichen
Garten zu pflegen und in Ordnung zu halten. Der Rasen wurde immer prächtig
gemäht, die Hecken waren stets gepflegt und die Blumen und Bäume wuchsen
prachtvoll. Die junge Prinzessin liebte diesen Garten sehr, vor allem
die vielen wunderschönen Rosen, die in allen Farben leuchteten und so
wundervoll dufteten. Eines Tages, die Prinzessin saß in einem Liegestuhl
im Garten und las ein Buch, kam ganz aufgeregt einer der Gärtner zu ihr
gelaufen und rief ganz außer Puste: "Geliebte Prinzessin, hier im Garten
sind Räuber am Werke! An unserer großen Rosenhecke fehlten heute morgen
schon so viele Rosen, aber es werden stündlich mehr. Keiner der Gärtner
kann sich das so recht erklären. Aber bitte, seht es euch doch selbst
einmal an. Die Rosenhecke ist schon ganz kahl geworden!" Die Prinzessin
blieb ruhig, obwohl sie nicht so recht begreifen konnte, dass jemand die
Rosen stehlen würde. Was sollte das für einen Sinn haben? Und als sie
an der Rosenhecke angelangt war, war sie sprachlos vor Erstaunen, denn
es waren nur noch fünf rote Rosen an der Hecke und es sah ganz jämmerlich
aus - ein Bild zum weinen! "Ach, die schönen Rosen! Wo sind sie bloß hin?"
fragte die junge Prinzessin. "Gärtner, lasst alle Diener rufen. Sie sollen
sich im Schloss und im Garten nach dem Räuber umsehen. Und lasst meinen
Freund, das Einhorn rufen, der ja immer ein gutes Gespür für solche Rätsel
hat. Ich bleibe derweil hier und bewache die restlichen Rosen!" Und der
Gärtner tat, wie ihm geheißen wurde. Es dauerte nicht lange, da kam das
Einhorn zur Prinzessin. "Ich habe von eurem Leid gehört, liebe Prinzessin
und ich sehe, ihr bewacht die letzte Rose!" "Wieso die letzte?" entfuhr
es der Prinzessin, aber dann sah sie die Bescherung, denn es war wirklich
nur noch eine Rose an der Hecke übrig geblieben. "Das verstehe ich nicht,
mein Einhorn. Ich habe die ganze Zeit über hier gestanden und die Rosen
bewacht. Da können doch die Rosen nicht so einfach verschwinden!" "Ja,
das ist in der Tat sehr mysteriös", sinnierte das Einhorn und plötzlich
schnupperte es etwas, ließ sich aber nichts anmerken. Statt dessen sagte
es: "Kommt Prinzessin, hier können wir ohnehin nichts mehr tun",
behielt aber immer die Rosenhecke im Visier und zog die Prinzessin etwas
von der Hecke weg. Das Einhorn war sich ziemlich sicher, dass der unsichtbare
Räuber hier in der Nähe war und war bereit, ihn zu entlarven. Plötzlich
roch er wieder etwas, senkte sein Haupt und rannte mit seinem Horn voran
auf die Hecke zu. Dann traf er schlagartig auf etwas Unsichtbares, das
er aufgrund des Schwunges in die Hecke manövrierte und beide hörten ganz
deutlich ein "Aua, verflucht!" und blickten erstaunt in die Richtung,
aus der diese Töne kamen. Dann raschelte es in der Rosenhecke und plötzlich
sahen sie einen jungen Mann, der sich sein schmerzendes Hinterteil rieb.
"Du also bist der Räuber der Rosen!" rief die Prinzessin. Der junge Mann
erschrak sehr, denn er dachte, dass man ihn mit der Tarnkappe nicht sehen
konnte, bemerkte aber sogleich, dass die Kappe sich an den Dornen der
Rosenhecke verfangen hatte und jetzt darin hing. "Ja, Prinzessin, ich
bin der Rosenräuber. Und ich stehe zu dem, was ich getan habe! Die Rosen
müssen verbannt werden, denn sie sind ein Zeichen der Liebe. Und da es
keine Liebe mehr unter den Menschen gibt, braucht es auch keine Rosen
mehr zu geben!" "Wo hast du denn die Rosen hingebracht?" fragte die junge
Prinzessin und fand, dass dieser junge Mann eigentlich sehr sympathisch
sein müsste und sie sich vielleicht sogar in ihn verlieben könnte. Aber
erst musste diese unschöne Sache mit den Rosen geklärt werden. "Sie sind
alle an einem geheimen Ort aufbewahrt!" sagte der junge Mann. "Gut, dann
werden wir sie zurückholen", sagte die Prinzessin und nahm den Rosenräuber
bei der Hand. Er war noch unentschlossen, ob er es tun sollte, denn sein
Hass auf die Liebe war noch sehr groß. Aber das Einhorn nickte ihm bedächtig
zu und noch einmal so einen Stoß ins Hinterteil wollte er nicht habe.
Außerdem sah ihn die Prinzessin mit ihren großen, treuen Augen bittend
an und da konnte er nicht mehr widerstehen und führte sie und das Einhorn
ans Ende des großen Gartens, wo die Rosen fein säuberlich aufgestapelt
auf einem großen Haufen lagen. "Die schönen Rosen!" rief die Prinzessin
und war für einen Moment lang traurig, aber dann hatte sie eine Idee.
"Kommt, Rosenräuber, wir wollen die Rosen an die Menschen in der Stadt
verteilen." Davon war der junge Mann nun gar nicht erbaut, aber er spürte
instinktiv, dass er hier eine große Chance hatte, etwas von der Prinzessin
zu lernen und so ging er mit. Sie besorgten sich einen kleinen Handwagen,
luden die vielen Rosen darauf und gingen in die Stadt. Dort angekommen,
stellten sie sich auf den Marktplatz und die Prinzessin verteilte die
Rosen an die Menschen, die vorbei kamen. "Viel Glück wünsche ich ihnen"
oder "Einen schönen guten Tag" sagte die Prinzessin zu den Leuten, die
eine Rose erhielten und zauberte damit ein kleines, scheues Lächeln auf
die sonst so grimmigen Gesichter der Menschen. "Komm', probier es auch
einmal", sagte die Prinzessin zu dem jungen Mann. "Es ist gar nicht so
schwer, wie du vielleicht denkst, Liebe zu geben. Man muss es nur wollen!"
und sie gab dem jungen Mann eine Rose mit den Worten: "Ich liebe dich".
Das Blut schoss in die Wangen des jungen Mannes, denn das hatte noch nie
jemand zu ihm gesagt und er fühlte sich tief in seinem Herzen berührt.
Und so machte er es der Prinzessin einfach nach und verteilte mit vielen
lieben Worten die Rosen an die Bürger der Stadt. Eine Rose aber bewahrte
er sich für die Prinzessin auf. Und als alle anderen verteilt waren, überreichte
er diese Rose der Prinzessin mit den Worten: "Ich danke dir für das Vertrauen,
dass du mir entgegen gebracht hast. Ich weiß jetzt, dass die Liebe das
Wichtigste auf Erden ist und ich wünsche mir, dass wir beide uns noch
sehr viel mehr davon geben werden. Ich liebe dich, Prinzessin!" und eine
kleine Träne kullerte auf seiner Wange herunter. Die Prinzessin küsste
ihm die Träne zärtlich weg und bald darauf wurde im Land Hochzeit gefeiert.
Die Rosen im Schlossgarten aber wurden mehr denn je von dem jungen Paar
gehütet und verehrt.
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